Putsch der völkischen Burschenschafter: Von rechts droht der Ruin

Burschentag (Archivbild von 2012): Desolater Zustand im Dachverband?
Erstveröffentlicht: 
23.05.2013

Rechte Ideologen haben den Bruderkampf in der Deutschen Burschenschaft gewonnen - auf dem Burschentag können sie den Verband nun ganz auf ihre Linie trimmen. Doch der Putsch ist teuer erkauft: Der Verband befindet sich internen Unterlagen zufolge in finanziell desolatem Zustand.

 

Von Florian Diekmann

 

Dieses Jahr dürften viele Burschenschafter die Reise nach Eisenach entspannt angetreten haben: Endlich wieder ein Burschentag in Eintracht. Und wahrscheinlich kommt bei einigen der farbentragenden, trinkfesten Herren auch das Gefühl des Triumphes auf: Endlich ist man auf dem Burschentag unter seinesgleichen - unter stramm-rechten, mitunter rechtsextremen Burschenschaftern. Denn der Putsch im Dachverband ist geglückt. Die Bünde, die sich gegen rassistische und völkische Tendenzen wehrten, sind aus der Deutschen Burschenschaft (DB) ausgetreten.

 

Die Frage ist nur, ob dieser Sieg nicht zu teuer erkauft wurde. SPIEGEL ONLINE liegen die Tagungsunterlagen für den Burschentag 2013 vor, der an diesem Donnerstag offiziell begonnen hat. Der angeschlagene Verband erscheint demnach vollends desolat, vor allem, was Finanzen und Strukturen angeht. Und erneut offenbaren die Unterlagen völkische und rechtsextreme Positionen in der DB - unter anderem soll wieder über eine Art "Ariernachweis" diskutiert werden.

 

Die Verbandssprecher der DB weisen allerdings jeden Rassismus-Vorwurf von sich und dementieren auch, dass es finanzielle Schwierigkeiten gibt und dem Verband die Mitglieder davon laufen. Die internen Papiere erzählen allerdings eine andere Geschichte.

 

Wer die Vorgänge und das Machtgefüge in der Deutschen Burschenschaft verstehen will, muss einen kurzen Blick zurück werfen: Im Sommer 2011 reifte unter den rechten Hardlinern, zusammengeschlossen in der sogenannten Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG), ein Putschplan. Kurz zuvor hatten bereits die damaligen Ariernachweis-Anträge für ein Desaster auf dem Burschentag gesorgt: Eine Burschenschaft sollte wegen eines chinesischstämmigen Mitgliedes mit deutschem Geburtsort und Pass aus dem Dachverband geschmissen werden. Doch die Anträge wurden vorab bekannt und unter enormem öffentlichen Druck zurückgezogen.

 

Wie stramm-rechte und völkische Ideologen die Macht übernahmen

 

Solche Niederlagen wollten die Rechtsausleger künftig vermeiden - ihre Strippenzieher planten bald, den Dachverband ganz an sich zu reißen. Die liberaleren Bünde, die sich gegen allzu rassistische und völkische Ausfälle stellten, sollten aus allein leitenden Posten verdrängt werden. Entsprechende E-Mails tauchten auf dem linken Web-Portal Indymedia auf.

 

Im November 2012 waren die Putschisten am Ziel: Auf einem außerordentlichen Burschentag in Stuttgart erlitten die liberaleren Bünde eine krachende Niederlage. Seitdem verlassen sie nach und nach den Verband - bis jetzt sind es gut zwei Dutzend Burschenschaften, darunter die Bünde von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl. Den Vorsitz im Dachverband übernahmen ausgerechnet die Wiener Teutonen - selbst für BG-Verhältnisse ausgesprochene Rechtsausleger.

 

Unterlagen offenbaren desolate Verfassung der Deutschen Burschenschaft

 

Die verbliebenen Burschenschafter können nun nach Belieben schalten und walten. Auf diesem Burschentag wollen sie den Verband wohl auch formal endgültig auf einen strammrechten Kurs festlegen - das legt eine Reihe von Anträgen nahe, über die nun in Eisenach entschieden wird, darunter der Antrag zur möglichen Neuauflage des "Ariernachweises". Außerdem wollen die Burschen folgendes verhandeln:

  • Die Germania Leipzig fordert die Einführung der Pflichtmensur. Jeder Mitgliedsbund soll die mitunter überaus blutigen Fechtduelle zwingend vorschreiben. Dieser Antrag hat einen hohen symbolischen Wert: Im Jahr 1971 gaben die liberalen Bünde im Dachverband den Widerstand gegen die Aufnahme der meist weit rechtsaußen stehenden österreichischen Bünde auf - im Gegenzug stimmten die Rechten im Verband der Abschaffung der Pflichtmensur zu. Der Kuhhandel wurde als "Historischer Kompromiss" bekannt, rund 40 Jahre später ist er überflüssig: Liberale sucht man im Verband ja vergebens.
  • Die Münchner Danubia prangert "Antigermanismus und Deutschfeindlichkeit" an - und fordert, Deutschland und Österreich müssten Institute zur Erforschung und Bekämpfung dieser Phänomene einrichten. Der bayerische Verfassungsschutz listet die Münchner Danubia in seinem jüngsten Bericht im Abschnitt "Sonstige rechtsextremistische Organisationen" und notiert, dass Mitglieder "Beziehungen zur rechtsextremistischen Szene unterhalten oder in der Vergangenheit unterhalten haben" (hier als pdf).
  • Die Germania Hamburg fordert die "Gleichbehandlung" aller politischer Parteien - eine kaum verhüllte Verteidigung der zahlreichen Burschenschafter, die Mitglied in der NPD, der Pro-Parteien oder bei anderen Rechtspopulisten sind.
  • Zudem zeigen sich die Hamburger Germanen nachtragend: Sie fordern ein Kontaktverbot für Christian Becker - jenem ehemaligen Verbandsbruder, der Anfang 2012 die "Initiative Burschenschafter gegen Neonazis" mitgegründet hatte und seitdem engagiert über die braunen Umtriebe im Dachverband bloggt. Becker empfindet die Forderung auf Nachfrage als "amüsant und hilflos". Sie sei eigentlich "ein weiterer Ritterschlag für unseren kritischen Blog". Sie zeige aber auch, " wie wenig rechten Burschenschaftern die Meinungsfreiheit für andere bedeuten kann, welche sie für sich gerne einfordern".

Dabei steht die Deutsche Burschenschaft vor einem Scherbenhaufen - der Verband scheint finanziell und strukturell ausgeblutet. Maximal 94 der insgesamt rund 250 Burschenschaften im deutschsprachigen Raum gehören dem Verband nur noch an, darunter zahlreiche inaktive Bünde. Laut Tagungsunterlagen werden nur noch 6200 Exemplare der Verbandszeitschrift an Burschenschafter verschickt - unklar ist, ob darin auch die Exemplare für die rund tausend aktiven Studenten enthalten sind oder nicht.

 

Walter Tributsch, Pressesprecher der DB, spricht hingegen von einem starken Zulauf in den letzten Jahren, angeblich wegen der Aufmerksamkeit in den Medien. Rassimus-Vorwürfe nennt er "hanebüchen". Nach seinen Angaben vertritt die DB noch 10.000 Einzelpersonen - überprüfen lässt sich das kaum. Der neue Sprecher der DB, Burkhard Mötz von der Wiener Teutonia, spricht von einer "medialen Hysterie".

 

Die Austritte der liberaleren Bünde bescheren der Deutschen Burschenschaft nach Schätzungen aus Burschenschafterkreisen auch Finanzprobleme. Der Verband muss im Vergleich zum Jahr 2011 wohl auf bis zu 70.000 Euro Mitgliedsbeiträge im Jahr verzichten - und damit auf etwa ein Drittel. Laut Rechnungsbericht in den Tagungsunterlagen lebt der Verband bereits seit längerem von der Substanz. Der Schatzmeister konstatiert darin, der Verband werde "bei gleicher Ausgabenpolitik nicht an einer Beitragserhöhung herumkommen".

 

Die Rostocker Redaria-Allemania, die bis Ende 2012 den Vorsitz im Verband hatte, stellt in ihrem Tätigkeitsbericht ernüchtert fest: "Die Deutsche Burschenschaft hat das bisher schwerste Geschäftsjahr des 21. Jahrhunderts hinter sich." Und: "Die Deutsche Burschenschaft steckt nach wie vor in einer sehr schwierigen Phase ihres fast 200-jährigen Bestehens."

 

Pressesprecher Tributsch bestreitet das. "Wir sind durchfinanziert für die nächsten Jahre", sagt er. Er könne Beitragserhöhungen für Mitglieder ausschließen. Etwaige Probleme und die Austritte einiger Burschenschaften verortete sein Bundesbruder Mötz in der Vergangenheit: "Die Deutsche Burschenschaft hat ihre Aufgaben in den letzten Jahren nicht bis gar nicht erfüllt." Das soll wohl heißen: Jetzt, unter der Federführung von ihm und seinen Brüdern, soll alles anders und besser werden.

 

Es sieht ganz nach einem Pyrrhus-Sieg der Rechtsaußen-Burschenschafter aus, ihr Putsch kommt sie nun teuer zu stehen.