Ein Kontinent voller Fremder hat Angst vor den Fremden

No Pacific Solution 2.0

Über den Umgang Australiens, desseen Einwohner selbst fast allesamt Einwanderer sind mit Asylsuchenden. Die Mehrheit der Australier sind selbst Nachkommen der Europäer, die sich den Kontinent einst gewaltsam genommen und dessen Einwohner getötet oder vertrieben haben.

 

Zurück zur alten Schärfe in der australischen Asylpolitik


Seit September 2012 schickt die ehemalige britische Gefängniskolonie Australien Bootsflüchtlinge wieder in Internierungslager auf abgelegene Pazifikinseln, nach Nauru, den mit 10000 Einwohnern und 21 Quadratkilometern kleinsten Staat der Welt und nach Manus Island, das zu Papua Neuguinea gehört.

 

Mit dieser Massnahme will die Regierung, Asylsuchende von der Überfahrt nach Australien abschrecken. Seit 2009 wird wieder verstärkt gegen Flüchtlinge polemisiert, da die Zahl der Bootsflüchtlinge angeblich zugenommen hat. Insgesamt sind die Asylzahlen allerdings auf tiefem Niveau. Laut dem Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge haben 2011 insgesamt nur 11 500 Personen in Australien einen Asylantrag gestellt.

Mit der Wiedereinführung von Offshore-Asylverfahren auf Nauru und Manus Island – und später eventuell auch in Malaysia – dreht Premierministerin Gillard das Rad der Zeit zurück in die Ära des konservativen Premierministers John Howard und reaktiviert dessen umstrittene «pazifische Lösung» von 2001. Eine Lösung, die Gillard damals, als sie noch in der Opposition war, bekämpft und im Parlament als «teuer, nicht nachhaltig und aus Prinzip falsch» bezeichnet hatte. Die Laborpartei hatte damals auch versprochen, das harte Regime der konservativen Regierung zu beenden. Nach ihrer Machtübernahme wurden die Offshore-Internierungslager 2008 geschlossen. Die zwangsweise Internierung der Bootsmigranten ist indes bis heute die Regel, nun eben auf australischem Territorium, besonders bekannt hierfür sind die Christmas Islands aber auch auf dem australischen Kontinent gibt es eine Reihe von Internierungslagern.

 

Pazifische Lösung 2001-2008


Im August 2001 hatte der norwegische Frachter Tampa 450 Flüchtlinge aus Afghanistan und Sri Lanka von einer Fähre gerettet, die in Seenot geraten war. Wegen der prekären Situation wollte die Tampa die in der Nähe liegende australische Weihnachtsinsel anlaufen. Die Regierung verbot aber das Einfahren in australische Hoheitsgewässer und ließ durch Soldaten das Schiff entern, nachdem es 5 Tage lang um die Weihnachtsinsel herumgeirrt war. Schon während der daraufhin stattfindenden gerichtlichen Verhandlungen wurden die Flüchtlinge, zusammen mit weiteren inzwischen aufgegriffenen, dann mit einem Militärschiff auf die 6.000 Kilometer entfernte Pazifikinsel Nauru gebracht. Nauru hatte sich zur Aufnahme von 500 Flüchtlingen bereit erklärt und der komplett bankrotte Staat erhielt dafür um die 20 Millionen Euro. Auch Neuseeland erklärte sich bereit, 150 Flüchtlinge aufzunehmen.

Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Flüchtlinge dazu. Die Asylverfahren dauerten Jahre, die sie komplett im Internierungslager verbringen mussten. Wurde ihr Asylantrag anerkannt, durften sie nach Australien einreisen.

Die Situation im Internierungslager wurde damals heftig kritisiert. Es kam zu Hungerstreiks, Selbstverletzungen und Ausbruchsversuchen. Am 10. April 2002 wurden rund 250 afghanische Asylbewerber nach einem Ausbruchsversuch aus einem Flüchtlingslager festgenommen und ins Lager zurückgebracht. Hintergrund der Unruhen waren Berichte, nach denen nur 7 der 292 afghanischen Asylsuchenden als Flüchtlinge anerkannt werden sollten.

Nach dem Wahlsieg der Labourpartei wurden die Offshore-Lager 2008 geschlossen. Flüchtlinge und UnterstützerInnen atmeten auf und hofften, dass dieses besonders finstere Kapitel der Anti-Flüchtlingspolitik Australiens nun hinter ihnen läge.

 

Pazifische Lösung 2.0, seit September 2012


Doch dem war nicht so. Fünf Jahre Finsternis sind nun zurückgekehrt. Seit September 2012 werden wieder Flüchtlinge nach Nauru und Manus Island gebracht. Die alten verrotteten Lager wurden für viel Geld reaktiviert, auch die Inselstaaten erhalten wieder einen hübschen Batzen als Entlohnung.

Immigrationsminister Chris Bowen spricht von einer Non Advantage-Politik. Menschen, die mit dem Boot einreisen, sollen nicht glauben, dass sie einen Vorteil davon haben. Australien nimmt im sogenannten Ressetlement-Programm jedes Jahr eine gewisse Anzahl von in anderen Ländern nach der UN-Konvention anerkannten Flüchtlingen auf. Howard sagte: „Wir entscheiden, wer in unser Land kommt, wann und auf welchem Weg.“ Nach dem willen der Regierung sollen alle Flüchtlinge außerhalb Australiens Asyl beantragen, auf die Entscheidung warten und dann einen Antrag auf Ressetlement in Australien stellen. Vorgeschoben wird das Argument der „leaky boats“, der gefährlichen Überfahrt  und der skrupellosen Menschenschmuggler. Die Schlepper sind laut dem früheren Immigrationsminister "der absolute Abschaum der Menschheit und sollen für immer in der Hölle schmoren". ...

Auf die Staaten Indonesien und Malaysia und Sri Lanka wird Druck ausgeübt, die Boote zu stoppen. Dies hat dazu geführt, dass Indonesien jetzt selbst Jagd auf Flüchtlinge macht und diese in Internierungslager steckt, wo sie dann bei der UNO Asyl beantragen können. Dass sie Jahre später nach einer möglichen Anerkennung dann auch tatsächlich von Australien aufgenommen werden, ist alles andere als sicher. Dies führt dazu, dass die Flüchtlinge in Indonesien schnell ein Boot finden müssen, um nicht der Polizei in die Hände zu fallen, was das Argument des Schutzes vor der gefährlichen Überfahrt ad absurdum führt.

Bisher wurden knapp 400 Männer nach Nauru und 40 Flüchtlinge, auch Familien, nach Manus Island gebracht. Weitere sollen in den nächsten Wochen folgen. Auf Nauru befinden sich Menschen aus Afghanistan, Iran, Irak und Sri Lanka. Das Lager soll bis zu 1500 Menschen aufnehmen, das in Manus Island 600.

Das alte Lager bestand aus einem Holzgerüst mit einem Befestigungsrahmen aus schwarzem Plastik Dieses Mal hausen die Flüchtlinge in Armeezelten, während sie darauf warten, dass die Gerippe des alten Lagers wieder möbliert werden. In den Zelten befinden sich 5 bis 16 Internierte, die in dicht aneinander gereihten Feldbetten schlafen.

Am Equator sind Hitze und Luftfeuchtigkeit extrem. Bei 45 Grad im Schatten wird es in den Zelten unerträglich heiß und die Flüchtlinge fliehen in die wenigen Schattenplätze in dem kleinen  Außenbereich des Lagers. Jetzt hat die Regenzeit begonnen. Wenn heftige Stürme über das Camp hinwegziehen ist die Situation noch katastrophaler. Ein Flüchtling berichtete Unterstützern per Telefon: „Die undichten Zelte sind schlimmer als die undichten Boote, mit denen wir, wie die behaupten, gekommen sind. Es ist überall Wasser. Das Lager ist wie ein Teich und unsere Sachen, unsere Betten sind nass Auch die beiden Inspektoren von Amnesty International, die dem Lager am 20 November einen dreitägigen Besuch abstatteten, bezeichneten die Situation in ihrem Bericht als unmenschlich und degradierend und zeigten sich zutiefst schockiert über die Zustände. Sie berichten, dass das Lager nach einem Sturm total überflutet war und Kleidung und Schuhe der Flüchtlinge teilweise weggeschwemmt wurden.

 Es gibt zwar Stromanschluss, doch wegen der dauernden Blackouts nur phasenweise. Alles, selbst das Trinkwasser, muss aus Australien eingeflogen oder mit dem Schiff gebracht werden. Die Hitze und die Feuchtigkeit in den Zelten führt zu Hautinfektionen und es geht die Furcht vor Ausbreitung von Infektionskrankheiten um. Während der Pazifischen Lösung 1 kam es zum Ausbruch von Dengue Fieber. Die medizinische Versorgung ist schlecht. Vor kurzem erbrach ein Mann nachts Blut, doch es gibt im Lager keinen Arzt, der Nachtdienst hat. Erst als sich die anderen Internierten lautstark beschwerten, wurde er in ein Krankenhaus gebracht.

Täglich haben ein paar Flüchtlinge die Möglichkeit, mit Mitarbeitern der Heilsarmee das Lager für eine Weile zu verlassen und spazieren zu gehen. 

„Diese Hölle wird von der Heilsarmee verwaltet, die denkt, sie könne etwas Gutes tun aber in der Tat gibt sie der Regierung Deckung für diesen Horror“, sagt Liz von Refugee Action Collective, einer Unterstützergruppe aus Melbourne.

Die psychische Situation dieser Menschen ist katastrophal. Es kam in den 2,5 Monaten seit Inbetriebnahme des Lagers bisher zu mindestens fünf Selbstmordversuchen und zahlreichen Selbstverletzungen. Ein Flüchtlinge sagte zu einem Unterstützer am Telefon: „Die Leute werden hier verrückt. So viele sind krank. Da ist ein Mann, ich kenne ihn von Christmas Island, da war er ein normaler Mann. Jetzt redet er nicht mehr, er läuft und läuft nur herum.“

„Letztes Mal dauerte es ein Jahr bis der Chefarzt der dortigen Psychiater Martin Dormaar seinen Hut nahm und das Lager als „Alptraum für Psychiater“ titulierte. Wie lange wird es diesmal dauern, bis Psychiater gehen?“ fragt Liz. 

Die Verzweiflung resultiert nicht nur aus den degradierenden primitiven Bedingungen. Weit schlimmer ist das unbegrenzte Warten mit dem sie in dieser Hölle konfrontiert sind. Sie sind verunsichert und fühlen sich in einer ausweglosen Situation. Sie verstehen nicht, warum sie wie Kriminelle behandelt und interniert werden, wohingegen die anderen ca. 7000  Bootsflüchtlinge, die seit Wiedereinführung der Pazifischen Lösung eingereist sind, in Australien ein Asylverfahren durchlaufen dürfen. Warum sind ausgerechnet sie nach Nauru gebracht worden? Sie fühlen sich wie im russischen Roulette. Der Immigrationsminister Chris Bowen teilte ihnen mit, dass es bis zu fünf Jahre dauern kann, bis ihre Asylverfahren überhaupt erst einmal beginnen. Denn dies soll nach nauruanischem Recht geschehen. Nur hat Nauru bisher in seiner gesamten Geschichte noch kein einziges Asylverfahren abgewickelt, es hat noch nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet und ist gerade dabei, eigene Asylregeln zu entwerfen.

„Die Regierung hofft, dass sich Asylsuchende, die sie nach Nauru oder Manus Island schickt, außerhalb von adäquater rechtlicher Unterstützung befinden. Was vielleicht noch mehr zählt ist, dass sie potentiell symphatisierende Teile der australischen Bevölkerung nicht erreichen“, so Liz.

Aber die Flüchtlinge zeigen einen hohen Grad an Organisierung, damit ihre Stimmen in Australien gehört werden. Zahlreiche Protestmeetings wurden innerhalb des Camps organisiert. Internierte befinden sich im Hungerstreik. Am 26. Oktober nahmen fast alle an einem eintägigen Hungerstreik teil. Ihre Forderungen sind klar:

-Schließung von Nauru

- Rückkehr der Asylsuchenden nach Australien

- Sofortiger Beginn aller Asylverfahren

 

Hungerstreik


Anfang Dezember befinden sich 25 Menschen auf Nauru im Hungerstreik. Omid, ein 35 jähriger Iraner, wurde nach 53 Tagen Hungerstreik, als er nur noch bewusstlos, gelähmt und mit Nierenversagen im Lager herumlag endlich in ein Krankenhaus nach Australien ausgeflogen. Doch nachdem sein Zustand sich etwas stabilisiert hatte, wurde er sofort wieder nach Nauru geflogen. Weitere Menschen befinden sich in Nauru im Krankenhaus.

Es kommt immer wieder zu weiteren Selbstverletzungen.

Das Immigrationsministerium führt nun Erstanhörungen durch und stellt diese fälschlicherweise als Beginn der Asylverfahren dar. Diese Anhörungen werden nur von den Flüchtlingen aus Sri Lanka angenommen, von den anderen werden sie boykottiert.

Es kommt zu Rangeleien mit dem Sicherheitspersonal im Lager aber auch mit Mitarbeitern der Heilsarmee, die Freigänge mit der Heilsarmee werden boykottiert.

Der Hungerstreik hat sich jetzt auch Nach Manus Island ausgebreitet, an dem momentan sieben Personen teilnehmen, nachdem ihnen mitgeteilt wurde, dass es sechs Jahre dauern kann, bis ihre Asylverfahren bearbeitet werden.

„Die katastrophalen Bedingungen auf Nauru werden immer schlimmer. Der Minister für Immigration zeigt eine gleichgültige Missachtung für die, die er nach Nauru und Manus Island verurteilt hat. Er ist direkt verantwortlich für die Leben von Omid, Jamal und den anderen Asylsuchenden, die sich für Gerechtigkeit im Hungerstreik befinden“, sagt Ian von der Refugee Action Coalition, einer Unterstützungsgruppe aus Sydney.

Es gibt nur sechs Computer auf Nauru, Anfang Dezember hat die Heilsarmee die Internetnutzungszeit pro Flüchtling radikal verkürzt. Vorher berichteten Flüchtlinge täglich über eine von ihnen eingerichtete Facebookseite über die Zustande und die aktuelle Situation, konnten mit Unterstützergruppen und Journalisten Kontakt aufnehmen. Dies ist jetzt nicht mehr möglich. Deshalb gibt es keine aktuellen Informationen über Nauru.

Niemand darf ins Lager, kein Besucher, kein Journalist. Schon unter John Howard (Pacific solution 1) galt das gleiche Prinzip, denn „In the past journalists and lawyers were not very… useful”. Ein sehr bezeichnender Satz.

 

Weitere Internierungslager und Umgang mit Flüchtlingen


In Nauru und Manus Island gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen. Es ist vollkommen unklar nach welchen Kriterien ausgewählt wird. Alle anderen Flüchtlinge werden entweder in das große Lager nach Christmas Island gebracht. Der Name spricht für sich… Diese Insel gehört zu australischem Territorium und  befindet sich zwischen Australien und Indonesien. Die meisten Flüchtlings-Boote landen hier.

Doch es gibt weitere Lager, das sind alles geschlossene Internierungslager, die Leute dürfen nicht raus. Diese Lager befinden sich in Vororten aller größeren Städte oder auf dem Land. In diesen Lagern ist aber Besuch erlaubt. Besucher müssen jemanden im Lager kennen und ihren Ausweis an der Pforte abgeben. Vollkommen willkürlich werden die Menschen von Lager zu Lager geschickt. Sie sind inhaftiert bis über ihren Asylantrag entschieden ist, was Jahre dauern kann. Bei endgültiger Ablehnung wird der Flüchtling vom Internierungslager aus abgeschoben, das kriegt meistens niemand mit. Eine ganz neue Strategie ist, dass jetzt Flüchtlinge einfach ein sogenanntes Überbrückungsvisum erhalten, das sechs Monate gültig ist. Sie werden  auf die Straße gesetzt, erhalten einen stark reduzierten Sozialhilfesatz und müssen sich eine Wohnung suchen, die billig genug ist und einen Vermieter, der bereit ist, für sechs Monate zu vermieten, was fast unmöglich ist.

Flüchtlinge aus Sri Lanka sind noch mit einem weiteren Problem konfrontiert, mit dem sogenannten „Screening out“ Viele erhalten nur noch ein kurzes, auch nur fünfminütiges Interview, es wird sofort negativ entschieden und abgeschoben. Wenn es Flüchtlingen dennoch gelingt, einen Anwalt zu informieren und der sofort vor Gericht einen Eilantrag stellt, wird dieser positiv beschieden und die Immigrationsbehörde zieht den Schwanz ein, da es überhaupt keine rechtliche Basis für diese verkürzten Screening out-Verfahren gibt.

 

Proteste


Es gibt aber auch Proteste gegen diese unsägliche Asylpolitik. Nicht nur von Seiten der Flüchtlinge in Nauru, wie weiter oben beschrieben, sondern auch in Australien. Es gibt Demos, Veranstaltungen, Filmvorführungen. Kürzlich wurde eine Abschiebung aus einem Internierungslager verhindert, als sich UnterstützerInnen vor das Lager begaben und das Auto, in dem der Flüchtling saß blockierten. Am zweiten Weihnachtsfeiertag findet in Melbourne traditionell ein großes Cricket-Tournier statt. Sri Lanka spielt gegen Australien. Dort soll gegen Kriegsverbrechen der Sri Lanka Regierung und gegen Screening out der Australien Regierung protestiert werden. Da dies ein wichtiges nationales Sportereignis ist, gab es schon ein ordentliches Medienecho und australische Cricket-Journalisten als auch Cricketspieler und Captains aus Australien und anderen Ländern haben sich mit dem Protest solidarisiert. Die Polizei will den Protest möglichst verhindern, angeblich aus Angst um die Sicherheit der Protestierenden…

 

Links

 

Aktionsgruppe aus Sydney mit aktuellen Infos auf ihrer Website

http://www.refugeeaction.org.au/

 

der Bericht von Amnesty

http://www.amnesty.org/en/news/australia-asylum-camp-cruel-and-inhumane-2012-11-23

 

Artikel in linken Magazine

http://www.greenleft.org.au/node/52828

http://www.greenleft.org.au/node/52812

http://www.sa.org.au/index.php?option=com_k2&view=itemlist&layout=category&task=category&id=16&Itemid=453

 

Bilder zu Nauru aus dem Internet

https://www.google.com/search?q=Nauru+detention+camp