Die militante Neonazi-Bande „Kameradschaft Aachener Land“ hat sich seit Ende 2008 auf ein mögliches Verbot vorbereitet.
Von Michael Klarmann
Wäre ein Verbot der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) früher möglich gewesen? Glaubt man Papieren des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, die das Siegel strengster Vertraulichkeit tragen, lagen der Behörde schon Ende 2008 und Anfang 2009 Informationen vor, dass die Gruppe wie ein Verein strukturiert war. Ausgeplaudert hatte das ein V-Mann, der der KAL angehörte.
Die KAL war jedoch erst am 23. August 2012 durch das NRW-Innenministerium verboten worden (bnr.de berichtete hier http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/militante-braune-terrorbande und hier http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/militante-neonazi-bande). Aus den Papieren, die bnr.de vorliegen, geht jedoch hervor, dass schon gut vier Jahre vor dem Vollzug zumindest dem Landesverfassungsschutz bekannt war, dass die KAL vereinsmäßig organisiert war. Durch ihren V-Mann erfuhr die Behörde etwa, dass der Mitgliedsbeitrag 5 Euro betrug, der KAL-„Kassenwart“ Anfang 2009 rund 1000 Euro auf einem Girokonto zu verwalten hatte und inaktiven oder säumigen Mitgliedern der Rauswurf drohte.
Papiere über Organisationsstrukturen vernichten
Auch war klar, dass die Neonazi-Bande sich seit Ende 2008 auf ein Verbot vorbereitet und Unterlagen vernichtet hat, die den Ermittlern nicht in die Hände fallen sollten. So gab „Kameradschaftsführer“ René Laube am 10. Januar 2009 auf der Jahreshauptversammlung der KAL in einer Gaststätte im Kreis Heinsberg das Kommando, Unterlagen wie Mitgliederlisten, Papiere über Beitragszahlungen oder solche über die Organisationsstrukturen seien zu vernichten. Überdies sollten künftig Bezeichnungen in der Öffentlichkeit unterlassen werden, die Funktionen benannten. Seitdem trat Laube selbst auch nicht mehr als „Kameradschaftsführer“ auf.
Dessen ungeachtet baute die KAL weitere Strukturen auf, etwa im Raum Heinsberg. „Kameradschaftsführer“ Laube wiederum hatte Tage zuvor auch an einem bundesweiten Treffen von Neonazi-Kadern teilgenommen. Geleitet wurde das Treffen im sächsischen Borna laut eines bnr.de ebenso vorliegenden Teilnehmerprotokolls von dem Neonazi-Kader und NPD-Funktionär, Thomas Wulff. Beratschlagt wurden dem Protokoll zufolge Strategien, Aktionen sowie der Umgang mit der NPD. Ein sich abzeichnender, scheinbürgerlicher Kurs der NPD, wie unter dem heutigen Parteichef Holger Apfel angestrebt, wurde abgelehnt. Die Zusammenarbeit zwischen Bundes-NPD und Neonazi-Szene sei am Ende, soll Wulff ausgeführt haben.
Machtkampf mit der NPD
Neben Wulff und Laube nahmen am 27. Dezember 2008 dem Teilnehmerprotokoll zufolge auch zwei Personen an dem Treffen in Borna teil, die 2011 im Zuge der Ermittlungen zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in der Verdacht gerieten, den NSU unterstützt zu haben: Thomas G. und André K. Zudem sollen führende Neonazis aus sechs Bundesländern dem Treffen beigewohnt haben. Kritisiert wurde dabei zwar die Bundes-NPD, jedoch wurde die Zusammenarbeit mit Landesverbänden wie in Nordrhein-Westfalen und Hamburg gelobt. So ist es jedenfalls in dem Teilnehmerprotokoll nachzulesen.
KAL-Chef Laube, so steht es wiederum in den geheimen Papieren des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, wies Tage nach dem Treffen auf der KAL-Versammlung Anfang 2009 die „Kameraden“ an, die gute Zusammenarbeit mit dem NPD-Landes- und dem NPD-Kreisverband Düren fortzuführen. Diese Weisung endete jedoch im Jahre 2010, denn es folgte ein Machtkampf zwischen der KAL und dem offen neonazistischen NPD-Kreisverband Düren auf der einen sowie dem NPD-Landesverband auf der anderen Seite. Monate später folgte dann unter anderem de Rausschmiss Laubes aus der NPD.