Für den 22. September 2012 mobilisieren antifaschistsiche Gruppen ins sächsiche Hoyerswerda. Anlass ist der 21. Jahrestag des Pogroms von 1991. Kaum läuft die Mobilisierung an, da bedrohen Neonazis Mitglieder der Jugendorganisation "Linksjugend [Solid]" und sorgen für den Abbruch einer ihrer Veranstaltungen.
Aus gegbenem Anlass veröffentlicht die Kampagne "Rassismus tötet!" und "Pogrom 91" in den kommenden Wochen Video-Archivmaterial und Dokumentationen zum Pogrom von Hoyerswerda 1991.
Teil 1.: "Ausländerjagd - Rassismus im neuen Deutschland?" (ARD-Brennpunkt, September 1991)
Rund eine Woche nach dem Pogrom organisierte ARD eine Brennpunktsendung auf dem Hoyerswerdaer Marktplatz, mit Rudolf Krause (Sachsens Innenmninster, CDU), Oskar Lafontaine (Ministerpräsident des Saarlandes, SPD), Friedhart Vogel (Superintendent des Kirchenkreises Hoyerswerda), Anetta Kahane und einem zugeschalteten Edmund Stoiber (CSU).
"Auf den Marktplatz komm ich nicht. Das wäre Selbstmord." erwiedert einer der Betroffenen des Pogroms aus der Ablert Schweizer-Straße auf die Frage des Reporters, ob er zum Live-Talk auf den Marktplatz kommen würde. Leider musste er mit dieser Aussage recht behalten. Spätestens als Anetta Kahane Position gegen den rechten Mob und sein Vorgehen bezieht, wird klar, dass die umstehende Menge bereit ist sie anzugehen, wenn sie könnte.
Niemand kann so arbeitslos ein, dass er_sie bereit ist Menschen anzuzünden. Hoyerswerda beweist das Gegenteil. Hier scheint Arbeitslosigkeit als Argument für die Gewaltexzesse, gegen die ebenfalls erwerbslosen Migrant_innen, auszureichen. "Erst mal den Job und dann nehmen sie die Wohnung weg. Was soll den das? Die hätten sie schon längst ausquartieren sollen [...] Dresden und die ganzen Orte machen weiter, so lange bis wir frei sind von dem Viehzeug." schnarrt ein, verbeult aussehender, Hoyerswerdarer Ureinwohner ins ARD-Mikrofon.
Von der Polit-Prominenz, die sich zwar durch ihre Hochdeutschkentnisse vom umstehenden Mob klar abhebt, aber in ihrer Haltung zur "Asylfrage" kaum einen Unterscheid erkennen lässt, gibt es ebenfalls "Ausländer raus!"-Parolen zu hören. So fürchtet sich beispielsweise Edmund Stoiber vor den restlichen Bewohner_innen des Globus, deren gemeinsames Ziel die Migration nach Deutschlands sei. „Wir haben in der Welt Millionen von potentiellen Asylbewerbern und mit denen können wir so, wie wir es gegenwärtig machen, nicht fertig werden.“
Lafontaine, der an der Parteibasis liebevoll "Lafo" genannt wird, ist mit seiner Agrumentation nah drann, an der des bereits zitierten, erwerbslosen Jung-Deutschen."Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen." Dieser Satz brachte er nicht 1991 in Hoyerswerda, sondern am 14. Juni 2005 ebenfalls in Sachen - in Chemnitz.
Diese Aussage ist nur konsequent, bedenkt mensch, dass Lafontaine zu den großen Verfechter_innen der Änderung des Paragraphen 16a gehörte. Lafontaine und Engholm waren damals federführend, als es darum ging, dass Asylgesetz auszuhöhlen. Und so besaß er auch die Dreistigkeit, nur eine Woche nach dem Pogrom, auf dem Marktplatz von Hoyerswerda, die faktische Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl zu fordern:
"Wir haben zwei Verantwortungen, wir in der Politik. Einmal müssen wir immer dafür werben tolerant gegenüber Ausländern zu sein, auf der anderen Seite dürfen wir die Bevölkerung nicht überfordern. Und ich sehe natürlich dann, wenn der Zuzug ungebremst weitergeht, eine Gefahr, dass die Bevölkerung überfordert wird. Auch dies ist verantwortung einer der Politik, einer solchen Gefahr entgegen zu wirken."
"Ich glaueb, dass sich jetzt abzeichnet, auch nach dem man nachdenklich geworden ist, auf Grund vieler Anschläge, auf Heime in denen Asylantragsteller untergebracht worden sind, dass man zu einer Lösung kommen muss."
Ein Trauerspiel an Empathielosigkeit und geistiger Armut, in 48,19 Minuten.
Beitrag ansehen: "Ausländerjagd - Rassismus im neuen Deutschland?" (ARD-Brennpunkt, September 1991)