Seehofer will Wohnungsgesellschaft GBW nicht kaufen

Erstveröffentlicht: 
26.07.2012

Im Streit um den Verkauf von Bayerns größter Wohnungsgesellschaft GBW hat eine mehrdeutige Äußerung aus Brüssel Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Vorwürfe der Lüge und Täuschung eingebracht. Der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) forderten Seehofer am Donnerstag auf, der Freistaat solle die 33.000 Wohnungen nun doch selbst von der BayernLB kaufen. Seehofer lehnt das nach wie vor ab: "Ich sehe dafür praktisch keine Möglichkeit", sagte Seehofer am Rande seiner Polen-Reise.

 

Das Risiko eines neuen EU-Beihilfeverfahrens sei dann sehr hoch, und dieses Risiko werde er im Interesse von Mietern, Bank und Arbeitsplätzen nicht eingehen. "Das ist für mich die Grenze", betonte Seehofer. Zugleich kündigte er an, den Schutz der Mieter zu garantieren. "Das sichern wir tausendprozentig ab", versprach der Ministerpräsident.

EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hatte der BayernLB zum Abschluss des EU-Beihilfeverfahrens am Mittwoch keinerlei Vorgaben gemacht, an wen sie ihre Beteiligungen - darunter auch Bayerns größte Wohnungsgesellschaft GBW - verkaufen soll. Almunia ließ aber offen, ob er damit auch den Freistaat als möglichen Käufer meinte oder nur andere Interessenten. Mietervereine und die Opposition bezichtigen die Staatsregierung nun der Lüge, weil diese stets argumentierte, die EU verbiete einen Verkauf an den Freistaat.

"Es ist allerhöchste Zeit, dass die Täuschungsmanöver aufhören, nachdem die Schutzbehauptung, der Freistaat dürfe keine GBW-Anteile kaufen, restlos in sich zusammengebrochen ist", verlangte Ude. "Wenn Horst Seehofer behauptet, ein staatlicher Kauf bringe das Risiko eines neuen Beihilfeverfahrens mit sich, kann ich dazu nur sagen: Das ist grober Unfug."

Der Deutsche Mieterbund kritisierte in einem offenen Brief an Seehofer: "Wir möchten unser Befremden darüber ausdrücken, dass wir in dem als offen empfundenen Gespräch letzte Woche offensichtlich nicht mit der Wahrheit bedient wurden und bedauern dies sehr."

Seehofer sagte dazu, die EU-Kommission habe bis zuletzt immer darauf hingewiesen, dass ein Verkauf der GBW an den Freistaat ein neues Beihilfeverfahren auslösen könnte. Das sei in den Verhandlungen mit Brüssel immer ein zentraler Satz gewesen. "Und ich glaube nicht, dass die Kommission den jetzt getilgt hat", sagte er. Ein schwieriger Punkt für die Staatsregierung: Bisher liegen die Brüsseler Bedingungen nicht schriftlich vor, so dass unklar ist, was genau Almunia meinte.

Die GBW gehört größtenteils der Landesbank, die wiederum größtenteils dem Freistaat gehört. Brüssel verlangt im Rahmen des Beihilfeverfahrens der BayernLB, dass die Bank für ihre Rettung vor der Pleite bis 2019 fünf Milliarden Euro Staatshilfe an den Freistaat zurückzahlt. Sollte aber der Freistaat die GBW kaufen, würde Finanzminister Markus Söder (CSU) faktisch der Landesbank zuerst den Kaufpreis für die GBW bezahlen, den die Bank dann anschließend wieder an Söder rücküberweisen müsste - ein klassisches linke-Tasche-rechte-Tasche-Gesch äft. Im Finanzministerium gilt das Risiko eines neuen Beihilfeverfahrens daher als sehr hoch.

Seehofer betonte, nun müsse zunächst der endgültige Text der EU-Entscheidung abgewartet und übersetzt werden. Dann werde der Sachverhalt noch einmal ganz genau geprüft, und er werde darüber auch mit den Mietervereinen direkt sprechen. "Vorher wird nichts entschieden", sicherte der Ministerpräsident den Mietern zu. In den vergangenen Monaten hat die Staatsregierung bei der GBW bereits zweimal ihre Position geändert - beziehungsweise musste sie notgedrungen ändern: Zuerst sollte die GBW exklusiv den bayerischen Kommunen angeboten werden, was Brüssel jedoch verhinderte. Außerdem weigerte sich die Staatsregierung über Monate, die vom Mieterbund verlangten sozialen Schutzklauseln für die Mieter in jeden einzelnen Mietvertrag aufzunehmen. Nun sollen diese Vertragsänderungen bei der Ausschreibung den Kaufinteressenten vorgeschrieben werden.

Der Mieterschutz sei beim Verkauf der GBW ohnehin das alles Entscheidende - nicht die Frage des künftigen Eigentümers, sagte Seehofer. Würde der Freistaat in dem Bieterverfahren für die GBW mitbieten, wäre dies nach Darstellung Seehofers eine schwierige Gratwanderung. Man dürfte dann nicht zu wenig bieten und nicht zu viel, weil sonst Landtag und Rechnungshof auf der Matte stünden./ctt/DP/he