Frisierte Parteispenden, merkwürdige Sonderkonten, mysteriöse Gelddepots in der Schublade - seit langem haben Politik und Ermittler die Buchhaltung der finanzschwachen NPD im Visier. Nun hat die Staatsanwaltschaft ihre Zentrale durchsucht und Schatzmeister Erwin Kemna festgenommen.
Berlin - Selbstbewusstsein - das will die NPD an diesem Tag der Öffentlichkeit demonstrieren. Es ist etwa viertel nach zwölf, als NPD-Sprecher Klaus Beier im ersten Stock ein Fenster des schlichten, grünlich gestrichenen Altbaus öffnet. Er steckt die schwarz-weiß-rote Fahne der NPD in die dafür vorgesehene Halterung. Eine Trotzreaktion gegen den ungebetenen Besuch, der sich schon fast drei Stunden in dem Haus in der Seelenbinderstraße 42 im Berliner Bezirk Köpenick breit gemacht hat. "Besonders an so einem Tag wollen wir Flagge zeigen", sagt Beier wenig später.
Um 9 Uhr waren Ermittler der Staatsanwaltschaft Münster und des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes (LKA) aus Düsseldorf gekommen, um mit Hilfe der Berliner Polizei die Bundeszentrale der rechtsextremen Partei zu durchsuchen. Hintergrund: ein Ermittlungsverfahren gegen Schatzmeister Erwin Kemna, 57, wegen Verdachts der Untreue - zu Lasten der eigenen Partei.
Am späten Vormittag bestätigt der Münsteraner Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer: Kemna wurde vorläufig festgenommen - nach NPD-Angaben allerdings nicht in Berlin, sondern in Nordrhein-Westfalen. Kemna lebt in Ladbergen im Kreis Steinfurt nahe Münster. Details zu den Hintergründen der Festnahme und den Ermittlungen gibt es zunächst nicht, am frühen Nachmittag wollen Staatsanwaltschaft und LKA auf einer Pressekonferenz in Münster Genaueres bekanntgeben.
NPD
in Finanznot
Sicher ist: Politik und Staatsanwälte finden die Finanzen der NPD schon länger verdächtig. Zuletzt war die Partei wegen einer Parteispendenaffäre in die Schlagzeilen geraten: Der Thüringer Landesverband soll frisierte Spendenquittungen ausgestellt haben, um an staatliche Zuschüsse zu kommen.
Der ehemalige Thüringer NPD-Chef Frank Golkowski hatte in diesem Zusammenhang im SPIEGEL schwere Vorwürfe gegen die Bundesspitze der Partei um den Vorsitzenden Udo Voigt erhoben: Diese habe von den illegalen Machenschaften gewusst und diese gedeckt. Golkowski sprach sogar von speziellen Seminaren, in denen Parteimitarbeiter in der besonderen Spendenpraxis geschult werden sollten. Ermittler sollen auf Sonderkonten außerhalb der offiziellen Buchführung gestoßen sein. Ein NPD-Insider wusste von ominösen Gelddepots in Schubladen "für außergewöhliche Ausgaben" zu berichten. Schatzmeister Kemna wies die Vorwürfe im SPIEGEL zurück.
Die Bundestagsverwaltung hatte von der Bundespartei als Konsequenz aus der Affäre 870.000 Euro staatlicher Zuschüsse aus der Parteienfinanzierung zurückgefordert. Wegen dieser Forderung, hoher Schulden und fehlender Geldquellen ist die NPD chronisch klamm und soll immer wieder kurz vor dem Finanzkollaps stehen. Seit einiger Zeit sucht auch die Innenministerkonferenz nach Wegen, der NPD die staatlichen Finanzzuschüsse zu entziehen. Im vergangenen Jahr hat die Partei knapp 1,45 Millionen Euro aus dem System der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten.
20 Ermittler in den Räumen der Partei
Die NPD spricht nicht im Detail darüber, wie es um ihre Finanzen steht - und auch nicht über die Ermittlungen gegen den Schatzmeister. Nur so viel: die Finanzlage sei wegen der Bundestagsforderung zurzeit "sehr eng". Man habe deshalb auch die - erfolglosen - Wahlkämpfe in Hessen und Niedersachsen "nicht so führen, wie wir uns es gewünscht haben".
Er sehe einen klaren Zusammenhang zwischen den Plänen der Innenministerkonferenz und der heutigen Polizeiaktion, sagte Beier. "Man kann der NPD politisch nicht den Garaus machen, also versucht man es nun auf dem finanziellen Wege." Trotzig schob Beier hinterher: "Das wird nicht gelingen."
Die Polizei teilte am Mittag mit, die Durchsuchung der zum Teil mit Stacheldraht gesicherten Zentrale werde "noch einige Stunden" andauern. Beier, zugleich Landeschef in Brandenburg, sagte, derzeit seien rund 20 Ermittler in den Räumen der Partei im Einsatz. Noch seien keine Unterlagen oder Computer aus dem Gebäude gebracht worden.
Vor dem Gebäude standen Zivilfahrzeuge der Ermittler, in denen sich zusammengefaltete Umzugskartons stapelten. Als die Beamten am Morgen eintrafen, war nach Angaben Beiers nur der Leiter der NPD-Rechtsabteilung anwesend, Frank Schwerdt. Parteichef Voigt wolle gegen 15 Uhr in die Zentrale kommen.
Der nun festgenommene Kemna ist seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Partei aktiv, zumeist als Schatzmeister, erst auf Kreis-, dann auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen. Seit 1996 hat er diese Funktion in der Bundespartei. Kemna ist außerdem Geschäftsführer des Verlags "Deutsche Stimme", der die gleichnamige NPD-Postille herausgibt.
Von Philipp Wittrock und Gordon Repinski