Die Nethers, beide 75, wohnen seit 40 Jahren in einer GBW-Wohnung. Sie fürchten einen Verkauf – „dann sind wir Freiwild“
München Schön grün und ruhig ist es in der Wohnanlage. Vom Balkon der Drei-Zimmer-Wohnung im vierten Stock blickt man auf den Backsteinturm der Kirche St. Monika.
Albert Nether und seine Frau Inge (beide 75) leben seit 40 Jahren in Neuperlach. Sie gehörten zu den ersten Mietern in dem 1972 erbauten Haus am Karl-Marx-Ring. Ihre Tochter wuchs hier auf. Es ist gemütlich. Eine kleine Küche, ein Esszimmer mit Eckbank, ein Wohnzimmer mit einem Wandschrank aus dunklem Holz, ein beigefarbenes Sofa.
Albert Nether war bis zu seiner Pensionierung 1999 Ingenieur bei den Stadtwerken. Das Haus, in dem das Ehepaar wohnt, wurde vom einst staatlichen Wohnungsunternehmen GBW AG gebaut, bezuschusst von den Stadtwerken. Die brachten dort ihre Angestellten unter. Jetzt erwägt die Staatsregierung, die GBW mit ihren 33000 Wohnungen in Bayern zu an einen privaten Investor zu verkaufen (AZ berichtete). Die Wohnung der Nethers ist eine davon. Jetzt gilt für sie: „Wir haben Angst um unser Heim.“
2008 lief bereits der Sozialstatus der Wohnungen aus. Prompt folgte die erste Mieterhöhung von 20 Prozent. 2011 kam die zweite – nochmal 20 Prozent. Heute liegen die Mieten in dem Objekt bei etwa sieben Euro pro Quadratmeter. Für Münchner Verhältnisse günstig, doch die Bewohner nähern sich der finanziellen Schmerzgrenze.
Die GBW hat in all den Jahren wenig an den Wohnungen gemacht. Vor drei Jahren gab es neue Fenster, die undichte Tiefgarage wurde saniert, vor zwei Jahren die Balkone. Einen Hausmeister gibt es nicht mehr.
Von der GBW flattern regelmäßig bunte Broschüren ins Haus. „In den Blättchen stehen nur schwammige Aussagen, sagt Albert Nether, „über Kündigungsschutz für Mieter über 60. Oder dass es keine Umwandlung in Wohneigentum gibt. Wir wollen das aber vertraglich festhalten.“
Albert Nether hat mit einigen Nachbarn eine Mieterinitiative gegründet. Von den 139 Parteien der Anlage sind über 80 mit dabei. Gemeinsam haben sie im November 2011 an den GBW-Vorstand geschrieben und ihre Forderungen formuliert. Eine Antwort gab’s bis heute nicht.
„Wir befürchten, dass wir Freiwild sind, wenn die Wohnungen an private Investoren verkauft werden“, sagt er.
Albert und Inge Nether hatten schon prominenten Besuch auf ihrer Eckbank. Die Mieterinitiative hatte geladen, OB Christian Ude, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, SPD-Landeschef Florian Pronold und die Mieterverein-Chefin, Beatrix Zurek, kamen. Das Thema: Die Übergabe der Wohnungen an ein kommunales Konsortium. Alle versprachen ihre Unterstützung. Aber die Lage ist vage. „Ein Nachbarhaus hat die die Gewofag übernommen“, sagt Albert Nether. „Das wäre auch unsere Hoffnung.“