Neue Freiraumkampagne in Magdeburg

Still loving squats!

Seit einigen Wochen gibt es in Magdeburg eine neue Freiraumkampagne. Das Ziel ist die Schaffung eines Libertären Zentrums. Hier ein paar Zeilen über die Situation in der Landeshauptstadt und die Notwendigkeit eines neuen Freiraums.

Eine graue Stadt

 

Magdeburgs Innenstadt ist geprägt durch Neubauten, vorwiegend Kaufhäuser und Bürogebäude. Die Wohnungssituation ist ambivalent: Einerseits gibt es einen enormen Leerstand, der vor allem auf die starke Abwanderung zurück zu führen ist. Seit 1989 ist die Einwohnerzahl der Stadt um 70.000 Personen auf 229.000 gesunken. So stehen hunderte Mehrfamilienhäuser und ganze Industrielandschaften leer. Andererseits wird bezahlbarer Wohnraum außerhalb der Plattenbauviertel zunehmend rar: einkommensschwache Menschen werden aus den zentralen Stadtteilen verdrängt und gezwungen, in den Plattenbausiedlungen am Rande der Stadt zu leben.

Ab und zu gibt es kulturelle Veranstaltungen oder Partys, welche leer stehende Gebäude für eine kurze Zeit beleben. Die Veranstalter sind entweder kommerziell motiviert (und demnach zahlungskräftig) oder stark etablierte Kultureinrichtungen wie das Theater. Für kleine, unkommerzielle Gruppen oder Projekte gibt es kaum Möglichkeiten, den Leerstand kreativ zu nutzen. Auch ein Wächterhaus-Projekt, welches in Halle und Leipzig Leerstand unkommerziell nutzbar macht, gibt es in Magdeburg bisher nicht.

Wie in anderen Städten in den neuen Bundesländern gibt es auch hier extreme Probleme mit Nazis. Seit 1990 sind in Magdeburg mindestens drei Menschen durch Nazis ermordet wurden – das letzte Opfer war Rick L. im September 2008. Organisierte Nazis aus der ehemaligen Kameradschaft Festungsstadt Magdeburg gründeten 2006 eine JN-Stützpunkt in Magdeburg. Spätestens seit diesem Zeitpunkt arbeiten die sogenannten 'Freien Nationalisten' vor Ort eng mit der NPD zusammen. Zu den Stadtratswahlen am 7.Juni 2009 treten bekannte Kameradschaftsnazis an, zum Beispiel Sascha Braumann. Der langjährige Blood & Honour Aktivist sprach noch 2007 als 'Verteter der freien Kräfte' auf dem Sommerfest der NPD in Sangerhausen. Um zur Wahl antreten zu können, benötigte die NPD 100 Unterstützerunterschriften pro Wahlbezirk. Insgesamt sammelten die Nazis über 1000 solcher Unterschriften; dies lässt befürchten, dass ab Juni mehrere Nazis im Magdeburger Stadtrat sitzen werden.
Gegen die Naziaktivitäten gibt es zum Teil erfolgreichen Widerstand. So mussten die Unterschriftensammler der NPD mehrmals vor antifaschistischem Protest flüchten und es bildete sich das Aktionsbündnis Keine Stimme für Nazis.

Szene putzen!

 

Es gibt nur wenige selbstorganisierte linke Projekte in Magdeburg, so zum Beispiel den Umsonstladen und den Infoladen. Außerdem arbeiten etwa ein Dutzend linke und linksradikale Gruppen zu verschiedenen Themen. Seit November 2008 gibt es u.a das Infoportal TermineMD.de, welches die Vernetzung der linksradikalen Gruppen verbessern soll und einen Überblick über politische Veranstaltungen und Aktionen bietet.

Das letzte besetzte Haus wurde im September 2002 geräumt. Der Versuch, in der 'Ulrike' einen sozialen, politischen und kulturellen Freiraum zu errichten, wurde im Rahmen des Magdeburger §129a-Verfahrens zerschlagen. Seit dem gibt es kein selbstverwaltetes linkes Wohn- und Projekthaus mehr in Magdeburg. Dies soll sich bald ändern: die Freiraumkampagne zielt auf die Schaffung eines Libertären Zentrums in Magdeburg. Darunter verstehen wir einen Ort, in dem wir freiheitlich und selbstbestimmt leben können. Wir brauchen Platz für unkommerzielle Kunst und Musik, Selbsthilfe-Werkstätten, einen Umsonstladen, ein Café und vieles mehr. Zudem soll das Libertäre Zentrum ein Schutzraum vor rassistischen und anderen menschenverachtenden Übergriffen sein und einen Anlaufpunkt für Betroffene bieten. Wir wollen einen Ort der Selbstorganisation schaffen, in dem sich Menschen nach ihren Bedürfnissen und ihren Wünschen zusammenfinden und gemeinsam Alternativen zur kapitalistischen Gesellschaft entwickeln.

In den kommenden Wochen werden wir mit vielfältigen Aktionen versuchen, dem Ziel unserer Kampagne näher zu kommen. Auf unserer Seite findet ihr die neuesten Informationen.

Wir hoffen auf breite Unterstützung in unserem Kampf für ein Libertäres Zentrum...

WIR BLEIBEN ALLE
squatmagdeburg.blogsport.de

Oft dienen diese Häuser als letzte Zuflucht in einem ansonsten schon völlig maroden sozialen Netz in den Großstädten und als Auffangbecken für all die Menschen, die ansonsten nicht in unsere normierte Gesellschaft passen (wollen).
–Silvia Hable in Augen zu gilt nicht