In der Nacht zum 1. Mai haben sich in Donaueschingen zwischen 50 und 100 Neonazis versammelt. Dahinter steckt wahrscheinlich die rechte Aktionsgruppe "die Unsterblichen".
Es muss ein gespenstischer Anblick gewesen sein: In der Nacht zum 1. Mai
marschierten zwischen 50 und 100 Rechtsradikale durch die
Donaueschinger Innenstadt. Sie trugen weiße Gesichtsmasken, Fackeln und
Transparente. Böller und Feuerwerkskörper flogen durch die Straßen,
während die Rechtsradikalen ihre Parolen skandierten. Inzwischen
verdichten sich die Hinweise, dass es sich um eine Demonstration der
rechtsradikalen Aktionsgruppe "Die Unsterblichen" gehandelt haben
könnte, einem losen rechtsradikalen Verbund, der mit seinen Kundgebungen
seit gut einem Jahr bundesweit für Aufsehen sorgt.
Bei den "Unsterblichen" handelt es sich nicht um eine Gruppierung im
klassischen Sinne, sondern vielmehr um eine Aktionskampagne. Die
Rechtsradikalen vertreten eine perfide Ideologie, die den Kampf gegen
"die Demokraten" predigt. Über eine feste Organisationsstruktur verfügt
die Bewegung nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz
jedoch nicht. Es handle sich lediglich um eine Idee, einen Impuls, der
über das Internet verbreitet wird und gezielt Nachahmer sucht. Über eine
Homepage und Videos sollen vor allem Jugendliche gewonnen werden.
"Hinter dieser Ideologie stecken Neonazis aus Südbrandenburg sowie eine
Gruppierung, die sich die Spreelichter nennt", erklärte ein Sprecher des
Bundesamts für Verfassungsschutz.
Über eine frei zugängliche Internetseite werden Jugendliche dazu
aufgerufen, sich für Aktionen zusammenzuschließen. Markenzeichen des
rechten Mummenschanz’ sind, wie auch in Donaueschingen, die weißen
Masken und das Banner mit der Aufschrift "Damit jeder weiß, dass Du ein
Deutscher warst". Alle Aktionen werden gefilmt und ins Netz gestellt.
"Es soll der Eindruck erzeugt werden, dass es sich um eine große
schlagkräftige Bewegung mit vielen Anhängern handelt", erläuterte ein
Sprecher des Verfassungsschutzes. Die Aktionen werden meist kurzfristig
über das Internet organisiert. Die weißen Totenmasken, die dabei
getragen werden, sind bereits ab 1,60 Euro im Internet erhältlich.
Tatsächlich hat sich die Bewegung seit gut einem Jahr schrittweise im
Bundesgebiet verbreitet. Anfangs gab es vereinzelte kleine Aufmärsche in
Dörfern und Ortschaften. Allerdings verzeichnet der Bericht des
brandenburgischen Verfassungsschutzes 2011 einen erheblichen
Bedeutungszuwachs. An einem unangemeldeten Fackelmarsch in der Nacht vom
30.April auf den 1. Mai 2011 in der sächsischen Stadt Bautzen hätten
sich zwischen 150 und 200 Personen beteiligt. Auch in anderen
Bundesländern gingen Neonazis dazu über, diese Aktionsform zu
übernehmen.
Unter den Festgenommenen in Donaueschingen waren kaum Einheimische,
dafür jedoch rechtsradikale Schweizer und Nordbadener. Warum sie sich
Donaueschingen als Ziel ausgesucht hatten und was sie mit ihrem Auftritt
bezwecken wollten, dazu schweigen sie – so wie es ihnen auf der
Internetseite der Gruppe geraten wird. Die Polizei geht davon aus, dass
es auf der Baar bislang keine aktive Neonazi-Szene gebe. Seit längerem
wird allerdings über Verbindungen zwischen Rechtsradikalen aus
Deutschland und der Schweiz gemutmaßt. Auch bei den Ermittlungen im
Falle des deutschen Terrornetzwerks NSU steht diese Vermutung im Raum.
Medien spekulieren zudem über eine Demonstration vom 13. Dezember im
schweizerischen Hombrechtikon, die ebenfalls auf das Konto der
"Unsterblichen" gehen könnte. Außerdem sind 2012 während eines
Fasnachtsumzugs in Konstanz Rechtsradikale aufgetaucht, die sich mit
weißen Masken vermummten und sich auf die "Unsterblichen" beriefen.
Die Antifaschistische Aktion (Antifa) geht davon aus, dass die Aktion in
Donaueschingen von bekannten Rechtsradikalen aus dem südbadischen Raum
mitorganisiert wurde. Laut einem Antifa-Sprecher handle es sich um
bekannte Rechtsradikale, die in Freien Kameradschaften organisiert
seien. Es bestünden auch Verbindungen zur Jugendorganisation der NPD.
Die Partei war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Bei den
Unsterblichen handle es sich, so der Antifa-Sprecher, um eine neue
Nazigeneration, die äußerlich recht unauffällig sei.
Die Polizei sucht inzwischen nach Zeugen, die gehört haben, was die
Vermummten in Donaueschingen gerufen haben. Auch mit Handy oder Kamera
gemachte Ton- oder Filmaufnahmen wären für die Ermittlungen hilfreich,
teilte die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen am Mittwoch mit.
Gesucht werden zudem Hinweise zu den benutzten Fahrzeugen und
Kennzeichen.