Verfassungsschutzbericht 2011
Die rechte Szene in Bayern wird immer aktiver - Sorge bereitet Innenminister Herrmann vor allem der jüngste Trend zur Gewalt. Nicht mehr genannt wird im Verfassungsschutzbericht 2011 ein KZ-Überlebender. Angeprangert wird allerdings erneut ein mehrfach ausgezeichnetes Archiv von Nazi-Gegnern.
Seit Bekanntwerden der Neonazi-Mordserie im November werden die Rechtsextremisten in Bayern immer aktiver. Darauf wies Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Freitag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für 2011 hin. Er konstatierte ein "erhöhtes Aggressionspotential" unter Neonazis: "Die Anwendung von Gewalt wird als legitimes Mittel angesehen."
Die rechte Szene nutze das Entsetzen über die Morde "zynisch zu gezielten Provokationen". Auf der Internetseite der Kameradschaft "Freies Netz Süd" etwa werde ein Zitat aus der Paulchen-Panther-Serie verwendet. Die Nazimörder hatten in einem Video ihre Opfer mit Sequenzen aus den Zeichentrickfilmen verhöhnt.
Die Jahresstatistik, wonach die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten mit 57 im Vergleich zum Vorjahr gleich geblieben sei, spiegle nicht den jüngsten Trend zur Gewalt, betonte Herrmann. Zwei Rechtsextremisten macht der Verfassungsschutz als Motoren der Szene aus: Die beiden inzwischen aus der Haft entlassenen Aktivisten Mattias F. im Raum Nürnberg und in Südbayern Martin Wiese, der für den geplanten Anschlag auf das Jüdische Zentrum in München verurteilt worden war.
Während die Zahl der rechtsextremen Parteimitglieder, vor allem bei der NPD, in etwa gleich geblieben und die Zahl der Skinheads sogar rückläufig sei, habe die der Neonazis in den Kameradschaften im vergangenen Jahr deutlich zugenommen: von 500 auf 700. "Große Sorge" bereite diese Entwicklung dem Landesamt für Verfassungsschutz, sagte dessen Chef Burkhard Körner.
Als rechtsextremistisch gelten auch die in den Stadträten von München und Nürnberg vertretenen "Bürgerinitiativen Ausländerstopp". Im 270-seitigen Bericht findet sich nach mehreren Jahren erstmals wieder die Münchner Burschenschaft Danubia wegen Kontakten zu Neonazi-Aktivisten.
Keine neuen Vorwürfe gegen Imam Idriz
Während Minister Herrmann erneut auf die Gefahren durch Islamisten hinwies, wird die muslimische Gemeinde Penzberg von Imam Benjamin Idriz nicht mehr als verfassungsfeindlich erwähnt. Viermal stand die Gemeinde im Bericht, was politisch sehr umstritten ist, da Idriz als liberal gilt. Es gebe keine neuen Erkenntnisse über Kontakte zu Islamisten, sagte Körner. Dennoch habe man weiter ein Auge auf Penzberg. Idriz reagierte erleichtert: Der Kampf gegen die Vorwürfe habe über Jahre "viel Energie gekostet".
Die erklärten Islamgegner rund um den Web-Blog Politically Incorrect (PI) stuft Körner auch nicht als verfassungsfeindlich ein, weil sich dahinter keine geschlossene Organisation verberge, sagte er. Die Verbreitung von Hass allein genüge nicht für eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht. Dies zu ahnden sei Sache der Polizei. "Wir brauchen auch eine extremistische Zielsetzung."
Eine solche Haltung erkennt Verfassungsschutz-Chef Körner jedoch weiterhin beim Münchner Antifaschistischen Informationsarchiv Aida. Als Begründung führt er vor allem die Links von der Aida-Seite zu autonomen Gruppen an. Wie in den Vorjahren werde man auch dagegen juristisch vorgehen, kündigte Marcus Buschmüller an, Vorsitzender des mehrfach ausgezeichneten Archivs von Nazi-Gegnern.
Nicht mehr genannt wird im Verfassungsschutzbericht 2011 dafür der KZ-Überlebende Ernst Grube, 79, der 2010 wegen seiner kritischen Vorträge als linksextremistisch eingestuft worden war.