Staatsschutz überwachte 12 Presse-Fotografen, um an die Urheber eines linken Plakats heranzukommen
Nach der Bundesanwaltschaft in der Verfolgung der „Militanten Gruppe“ hat sich jetzt auch das Berliner Landeskriminalamt einen dilettantischen Fehler beim Ausspionieren der linken Szene geleistet. Wie jetzt bekannt wurde, fanden Polizisten im November 2005 bei der Durchsuchung einer linken Wohngemeinschaft ein Plakat mit den Porträtfotos von 36 bekannten Neonazis aus Berlin und dem Umland. Ohne, dass die Neonazis selber Strafanzeige gestellt hatten, begannen Beamte mit den Ermittlungen, weil sie – angeblich – deren „Recht am eigenen Bild“ verletzt sahen. Akribisch ermittelte der für politische Delikte zuständige Staatsschutz im LKA die Namen von zwölf Berliner Fotografen – und wollten Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnungen der Fotografen erwirken.
Vermutet wird nicht nur von den Berliner Grünen, dass es den Fahndern vor allem darum ging, die Urheber des Plakats ausfindig zu machen.
Doch schon bei der Staatsanwaltschaft blitzte das LKA im Frühjahr 2006 ab. Da das Plakat nicht verbreitet worden sei, liege auch keine Straftat vor. Zudem habe keiner der abgebildeten 36 Rechtsextremisten Anzeige erstattet. Die Ermittlungen seien sofort einzustellen, teilte ein Oberstaatsanwalt dem LKA mit, dem Vernehmen nach mit überaus barschem Ton. „Der hat uns richtig einen eingeschenkt“, hieß es kleinlaut im Polizeipräsidium. Bei der Staatsanwaltschaft werden die Ermittlungen schlicht als „Müll“ und als „bizarr“ kritisiert. Völlig unverständlich sei, dass kein Vorgesetzter im LKA den „Fanatismus“ dieser Staatsschutz-Beamten gestoppt habe.
Sämtliche damals Beschuldigte erfuhren nichts von den damaligen Ermittlungen gegen sie. Sie sollen regelrecht observiert worden sein, hieß es. Die Fahnder wollten auch die Telefone überwachen, scheiterten aber auch damit bei der Staatsanwaltschaft. Erst durch einen Zeitungsartikel erfuhr zum Beispiel ein für den Tagesspiegel arbeitender Fotograf von den Ermittlungen. Er will jetzt einen Anwalt und die Gewerkschaft Verdi einschalten, „schon um das Führungszeugnis reinzuhalten“. Auch in der Vergangenheit habe es Versuche von Behörden gegeben, ihm und bestimmten Kollegen die Akkreditierung bei Empfängen oder Staatsbesuchen zu verweigern. Bei diesen Akkreditierungen müssen Journalisten unterschreiben, dass sie zuvor vom Bundeskriminalamt überprüft werden. „Solche Ermittlungen sind hinderlich bei der Arbeit“, sagte der Fotograf.
Entsetzt über die Ermittlungen sind die Berliner Grünen. „Es ist eine starkes Stück, die Berichterstattung über Neonazistrukturen zu kriminalisieren“, sagte der Abgeordnete Dirk Behrendt. Das Kunsturhebergesetz sei lediglich vorgeschoben worden, um die linke Szene auszuforschen. „Da ist das LKA über die Stränge geschlagen“, sagte Behrendt, die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft habe dem Staatsschutz „eine blutige Nase“ geschlagen. LKA-Chef Peter-Michael Haeberer räumte Fehler bei den Ermittlungen ein: „Wo viel gearbeitet wird, passieren auch Fehler“.
Vermutlich ist das Plakat nur in kleiner Auflage gedruckt und innerhalb der Szene verteilt worden. Dem Tagesspiegel liegt eine Kopie des DIN-A2-Plakats vor. Als Urheber nennt es nur „Antifa“, als Datum den Oktober 2005. Dies bedeutet, dass es der Polizei schon kurz nach der Herstellung in die Finger gefallen ist. Möglicherweise hatte die Szene deshalb auf eine Veröffentlichung verzichtet.
Das Fotografieren des politischen Gegners wird seit Jahren auf beiden Seiten intensiv betrieben. Es gibt reihenweise Internetseiten, auf denen Links- wie Rechtsextremisten porträtiert werden. Unklar bleibt, wieso die Polizei gerade bei diesem Plakat derartig aktiv wurde. So hat die linke Szene weitaus umfangreichere Broschüren mit Portätfotos rechter Größen veröffentlicht, ohne dass die Polizei dagegen eingeschritten ist.