Bei einem Tag der offenen Tür in der General-Konrad-Kaserne in Bad Reichenhall konnten Kinder und Jugendliche angeblich auf eine Modellstadt schießen. Die Bundeswehr prüft die Vorwürfe, die Staatsanwaltschaft erwägt Ermittlungen. Von Stephan Löwenstein, Berlin
Die Bundeswehr prüft, ob während einer Öffentlichkeitsveranstaltung der Gebirgsjäger gegen die Vorschrift verstoßen worden ist, Kindern und Jugendlichen keine Waffe in die Hand zu geben. Auch der Staatsanwalt und der Wehrbeauftragte des Bundestages interessieren sich für den Fall. Die Staatsanwaltschaft in Traunstein hat wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und wegen Volksverhetzung Vorermittlungen aufgenommen.
Anlass ist ein Tag der offenen Tür in der General-Konrad-Kaserne, der am vorvergangenen Wochenende in Bad Reichenhall stattgefunden hatte. Auf der Veranstaltung hatte die dort stationierte Gebirgsjägerbrigade 23 Waffen und Gerät ausgestellt sowie Stationen aufgebaut, um Einblick in die Truppenausbildung zu geben.
Auf einer Station konnten Besucher, zu denen auch Kinder und Jugendliche gehörten, mit Armeeferngläsern und Visiereinrichtungen von Panzerfäusten Übungen zum Schätzen von Entfernungen anstellen, wie das auch in der Soldatenausbildung geschieht.
Die Veranstaltung wurde von einer Vereinigung namens „Rabatz“ von radikalen Linken und autonomen Gruppen – so die Selbstdarstellung auf der Internetseite – als „unfassbarer Skandal“ kritisiert. Dort werde „schon kleinen Kindern Spaß an Waffen und militärischer Gewalt“ vermittelt, indem man sie „auf eine Miniaturstadt schießen“ lasse. Kritisiert wird außerdem, dass die Soldaten diese Modell-Ortschaft durch ein Schild als „Klein-Mitrovica“ ausgewiesen haben.
Die aus dem Kosovo-Einsatz zurückgekehrten Gebirgsjäger hatten unter anderem Verantwortung für die Stadt Mitrovica gehabt, die seit Ausschreitungen durch Kosovo-Albaner unter besonderer Aufmerksamkeit der Kfor-Truppe steht. „Rabatz“ kritisierte, dass in Mitrovica im Zweiten Weltkrieg auch schon Gebirgsjäger der Wehrmacht gestanden waren und dass diese Truppe an Kriegsverbrechen auf dem Balkan beteiligt gewesen sei.
Vorbei am „guten Geschmack“
Dieser Kritik schlossen sich Bundespolitiker der Grünen, der Linkspartei und der SPD an. Der Grünen-Verteidigungspolitiker Nouripour sagte den WAZ-Zeitungen: „Es ist eine Katastrophe, welches Bild von der Bundeswehr hier gezeichnet wird.“ Wenn das Ortsschild bewusst aufgestellt worden sei, brauche es ein strenges disziplinarrechtliches Verfahren, verlangte Nouripour. Das könne bis zur Entlassung der Verantwortlichen aus dem Dienst gehen.
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Arnold, sagte, ein solches Kriegsspiel in der Kaserne sei „in keiner Weise akzeptabel“. Er wolle nicht, „dass junge Menschen zur Bundeswehr gehen, weil sie vom Schießen begeistert sind“. Die Bundestagsabgeordnete Jelpke (Linke) sagte: „Die Bundeswehr schlägt bei ihrer Nachwuchswerbung nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks, sondern sie tritt auch Kinderrechte mit Füßen.“
Ein Bundeswehrsprecher teilte mit, man nehme die Vorwürfe ernst, doch könne man vor Abschluss der Ermittlungen nicht Stellung nehmen. Die Heeresführung hat die 10. Panzerdivision (Sigmaringen) damit beauftragt, zu prüfen, ob „gegen Weisungen und Befehle zur Öffentlichkeitsarbeit“ verstoßen worden ist. Dabei geht es vor allem um einen Erlass, wonach bei solchen Veranstaltungen „Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr keinen Zugang zu Handfeuerwaffen oder Munition erhalten“ dürfen.