Das Parlamentarische Kontrollgremium hat dem Bundestag zwei Berichte über Abhörmaßnahmen und Auskunftsverlangen der Nachrichtendienste für das Jahr 2009 vorgelegt. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Fallzahlen teilweise deutlich an. Das Bundestagsgremium ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig und wird von der Bundesregierung regelmäßig über deren Tätigkeiten unterrichtet.
Der erste Bericht bezieht sich darauf, in welchem Maße der Bundesverfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) von Luftfahrtunternehmen, Unternehmen der Finanzbranche, Post- und Telekommunikationsunternehmen sowie Teledienstunternehmen Auskunft über Kunden und Nutzer verlangten. Außerdem geht es darum, wie oft sie Mobilfunkteilnehmer über sogenannte IMSI-Catcher geortet und deren Handynummer identifiziert haben.
Im Jahr 2009 führten die Nachrichtendienste insgesamt 93 Auskunftsverlangen und IMSI-Catcher-Einsätze durch, die insgesamt 410 Personen betrafen. 85 Maßnahmen führte das Bundesamt für Verfassungsschutz durch. Im Vorjahr waren es 78 Maßnahmen, die nur 200 Personen betrafen. 2009 waren in vier Fällen Luftfahrtunternehmen betroffen, 18-mal Unternehmen aus der Finanzbranche, in 55 Fällen Telekommunikations- und Teledienstanbieter. Es wurden 16 IMSI-Catcher-Maßnahmen durchgeführt. In den Jahren 2002 bis 2009 waren Luftfahrtunternehmen in neun Fällen betroffen, 84-mal ging es um Unternehmen aus der Finanzbranche, in 244 Fällen um Telekommunikations- und Teledienstanbieter. Postunternehmen waren in keinem Fall betroffen, der klassische Briefverkehr spielt also in diesem Umfeld keine Rolle mehr. In den acht Jahren wurden insgesamt 81-mal IMSI-Catcher eingesetzt. Ein deutlicher Anstieg war in allen Fällen in den Jahren 2008 und 2009 zu verzeichnen.
Im zweiten Bericht geht es um die so genannten G10-Maßnahmen. Dabei handelt es sich um das Recht der drei Nachrichtendienste sowie der Verfassungsschutzbehörden der Länder, Telefonate im Ausland abzuhören
sowie Postsendungen abzufangen und damit das Post- und Fernmeldegeheimnis, das in Artikel 10 desGrundgesetzes verankert ist, einzuschränken. Der Bundesnachrichtendienst darf außerdem personenbezogene Daten an bestimmte ausländische öffentliche Stellen wie befreundete Geheimdienste übermitteln. Der in diesem Jahr vorgelegte G10-Bericht ist nach einer Gesetzesänderung der erste, der über die letztgenannte Maßnahme öffentlich berichtet. Demnach übermittelte der BND im Jahr 2009 keine Daten an ausländische Stellen.
Die Bundesregierung berichtet halbjährlich, entsprechend legt auch das Kontrollgremium Halbjahreszahlen vor: Im ersten Halbjahr 2009 wurden 65 Einzelmaßnahmen durchgeführt, die sich gegen 356 Zielpersonen
richteten. Im zweiten Halbjahr wurden 67 Maßnahmen gegen 499 Personen durchgeführt. Den Schwerpunkt stellten dabei wie in den vergangenen Jahren Anordnungen im Zusammenhang mit internationalem Terrorismus dar. Im Vorjahrwaren es im ersten Halbjahr 54 und im zweiten Halbjahr 56 Maßnahmen, die sich gegen 283 beziehungsweise gegen 339 Personen richteten. Die Anordnungen sind auf höchstens drei Monate befristet, können jedoch auf Antrag um weitere drei Monate verlängert werden. Die Zahlen beziehen sich auf Hauptbetroffene sowie auf Anordnungen, die teilweise vor dem Berichtsraum begonnen wurden. Sie lassen sich insofern nicht einfach zusammenzählen.
Werden die G10-Maßnahmen beendet, müssen die Betroffenen darüber informiert werden, wenn keine Gefahr mehr besteht. 2009 wurden 55 Mitteilungen geprüft, die sich auf 385 Haupt- und Nebenbetroffene bezogen. Bei 112 Betroffenen wurde entschieden, sie über die beendete Maßnahme zu informieren. Die Mitteilung an weitere 238 Personen beziehungsweise Institutionen wurde zurückgestellt, da eine Gefährdung
des Zwecks der Abhörmaßnahme nicht ausgeschlossen werden konnte. Das heißt, dass entweder erwogen wurde, die Maßnahme wieder aufzunehmen oder dass weitere nachrichtendienstliche Ermittlungen erfolgten. Bei 35 Betroffenen entschied die G10-Kommission, dass sie auch fünf Jahre nach der Beendigung der Maßnahme noch nicht informiert werden konnten.
Der Bericht umfasst auch die so genannte Strategische Kontrolle, bei der der Bundesnachrichtendienst Post- und Telekommunikationsbeziehungen nach einer Quote mit Hilfe von Suchbegriffen erfasst und auswertet. Über die Quote und die verwendeten Suchbegriffe schweigt sich der Bericht aus, doch er gibt an, dass im Gefahrenbereich „Internationaler Terrorismus“ rund 1,8 Mio. Telekommunikationsverkehre anhand von Suchbegriffen erfasst wurden – im Vorjahr waren es rund 350.000. Einen Grund für die hohe Zahl sieht das Parlamentarische Kontrollgremium in dem „sehr hohen Spam-Anteil“. Im Ergebnis wurden nur 69 Telekommunikationsverkehre als nachrichtendienstlich relevant eingestuft – das sind 0,004 Prozent.
Dabei handelte es sich um drei Telexe, eine E-Mail, sieben Telefonate sowie 58 Einträge in Webforen. Im Vorjahr wurden nur 9 Telekommunikationsverkehre als relevant befunden. Im Bereich „Proliferation und konventionelle Rüstung“ wurden rund 5 Mio. Telekommunikationsverkehre erfasst gegenüber 1,9 Mio. im
Vorjahr. Auch hier wurde ein hoher Spam-Anteil festgestellt: Nur 209 Fälle bzw. 0,004 Prozent wurden als relevant bewertet, im Vorjahr waren es 385.
Der Bundesnachrichtendienst darf auch, etwa im Falle von Entführungen im Ausland, den internationalen Telekommunikationsverkehr abhören. Im Jahr 2009 geschah dies innerhalb von vier Maßnahmen, die im
Zusammenhang mit Piraterie standen. Hier ergaben sich 436 Meldungen mit personenbezogenen Daten. 13 Betroffene wurden hierüber informiert, in einem Fall wurde von einer Mitteilung vorerst abgesehen.
(Christiane Schulzki-Haddouti) / (js)