Leipzig: Roter Oktober - Naziaufmärsche verhindern. Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!

Plakat 16.10.2010

Aufruf: "Roter Oktober"

Mit mehreren Aufmärschen wollen Neonazis am 16. Oktober durch Leipzig ziehen. Das braune Spektakel steht unter dem Motto „Recht auf Zukunft“ und soll nachholen, was vor fast genau einem Jahr gescheitert ist: Am 17. Oktober 2009 steckten mehr als 1300 Neonazis für viele Stunden im Leipziger Osten fest, abgeschirmt durch die Polizei und eingekeilt von Protestblockaden. Diese sind dank 3000 Gegendemonstrant_innen erfolgreich gewesen. Nun steht derselbe Spuk wieder an – und wir erwägen alles Nötige, um ihn wieder zu beenden.

 

Leipzig-Aufmärsche sollen zentrale Szene-Events werden


Veranstaltet werden die Aufmärsche von rechten Aktivist_innen aus Leipzig. Sie stammen aus den Kameradschafts-Gruppen „Freies Leipzig“, „Aktionsbündnis Leipzig“ und der „Jungen Nationaldemokraten Leipzig“, teils mit deutlichen personellen Überschneidungen. Ihre Anhänger_innen organisieren sich seit Jahren unbehelligt im „Freien Netz“, einer gewaltbereiten Kameradschafts-Vernetzung, die sich zum Nationalsozialismus bekennt und Ableger in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern gegründet hat.

Ihre Aufmärsche dienen der Verbreitung rechter Propaganda, und zwar in einer Form, die durch das Versammlungsrecht gedeckt ist. Dadurch wird das Aufmarschgebiet zur Angstzone für alle, die dem Feindbild der Neonazis entsprechen, aber auch in den Augen der Polizei Delinquent_innen sind. Mit dieser Verdrängung und dem Gestus der Gewalt, der dabei vermittelt wird, unterstreichen Neonazis ihre Radikalität und den Anspruch, selbst Termine zu setzen, Bedingungen zu stellen und Konfrontationen zu suchen. Das wirkt anziehend auf eine Klientel, die Gewalterfahrungen zuspricht und herbeiführen will. Als erste Organisation hat den aktuellen Aufmarsch-Aufruf daher keine Neonazi-Kameradschaft verbreitet, sondern die „Blue Caps LE“, eine rechte Hooligan-Gruppierung des 1. FC Lokomotive.

Solche Aufmärsche sollen für die gesamte rechte Szene integrierend wirken. Nach ihren Misserfolgen am 13. Februar in Dresden, am 1. Mai in Berlin und dem 4. September in Dortmund suchen Neonazis nun wieder nach einem funktionierenden „Großaufmarsch“ – und Leipzig ist eine Option. Dass darüber in den Medien zumeist wieder unter dem Aspekt der Gewalt ausführlich berichtet wird, überlagert die offenkundig nationalsozialistischen Positionen, wegen denen sie auf die Straße gehen und die nur selten zurückgewiesen werden.

 

Opfer des „Systems“?


Mit ihrer Kampagne „Recht auf Zukunft“ propagieren Neonazis einen „nationalen Sozialismus“ als politisches Ideal. Im Aufmarsch-Aufruf zum Thema „Antikapitalismus“ heißt es, „Zukunft“ bedeute „Geborgenheit in einer solidarischen Gemeinschaft“. Dahinter steht die Vorstellung einer „Volksgemeinschaft vom einfachen Arbeiter bis zum nationalen Großunternehmer“ – also ein repressives Konzept des historischen Nationalsozialismus. Zwar ist dieses weitgehend diskreditiert; sehr wohl aber gelingt Neonazis damit der Anschluss an ohnehin populäre Themen. Anknüpfend an die rassistischen Grundthese der aktuellen Hetze gegen Migrant_innen wird behauptet, „unsere Existenz als Volk“ sei akut bedroht.

Zudem erklärt der Aufruf in antisemitischer Tradition, das „deutsche Volk“ werde „von globalen Finanzjongleuren und Hochkapitalisten rücksichtslos ausgeplündert“ und es leiste „Frondienst am globalen Zinskapital“. Ziel sei jene „neue Volksgemeinschaft, in der Besitz nichts und Leistung und Können alles zählen“. Und das, obwohl Eigentumslosigkeit beständige Wirklichkeit für die meisten Menschen ist und Kapitalismus bereits darauf basiert, das private „Können“ in der Konkurrenz zu bewähren und eben dafür Leistung erbringen, d.h. die eigene Arbeitskraft verkaufen zu müssen. – Der hier bemühte „Antikapitalismus von rechts“ hat insofern nichts mit einer Kritik, aber viel mit einem Lob des Kapitalismus gemein.

Weit praktischere Ziele verfolgen die Neonazis unterdessen in ihrem Aufruf unter dem Titel „Gegen Polizeiwillkür und staatliche Gewalt“. Dort wird der verpatzte Aufmarsch 2009 als „nackte Willkür des polizeilichen Repressionsapparates“ dargestellt, die Neonazis-Szene werde als „revolutionäre Bewegung verfolgt und kriminalisiert.“ – Tatsächlich jedoch wurden fast alle Anzeigen, die von der Polizei gegen Teilnehmer_innen des damaligen Aufmarsches aufgenommen worden sind, wieder eingestellt.

 

Blick zurück nach vorn


Neonazi-Aufmärsche haben in Leipzig Tradition. Seit 2001 ist der Hamburger Christian Worch siebzehn Mal durch die Stadt marschiert, wegen des hohen Migrant_innenanteils oft durch Stadtteile im Leipziger Osten. Weitere Ziele waren das symbolträchtige Völkerschlachtdenkmal oder der als alternativ geltende Stadtteil Connewitz sein. Diese Aufmärsche wurden von umfangreichen Gegenprotesten und meist erfolgreichen Blockadeaktionen begleitet. So auch am 1. Mai 2006: Damals wollten Neonazis schon einmal zwei Demonstrationen zeitgleich durchführen. Angesichts der 5000 Gegendemonstrant_innen konnten sie dies jedoch nicht durchsetzen. Ein Jahr darauf war dann sogar der „harte Kern“ erschöpft: Worchs letzten Leipzig-Aufmarsch im Juni 2007 besuchten gerade einmal noch 37 Personen.

Nach wie vor ist Leipzig auch für die NPD ein heißes Eisen, seitdem sie am 1. Mai 1998 zum Völkerschlachtdenkmal mobilisiert hatte und es dort zu Straßenschlachten gekommen war. Zuletzt wollte die NPD am 15. März 2008 gemeinsam mit „Freien Kräften“ durch die Leipziger City ziehen, meldete ihren Aufmarsch aber einen Tag zuvor wieder ab. Der 17. Oktober 2009 war insofern ein Versuch der organisierten Neonazi-Szene, in Leipzig wieder die Öffentlichkeit zu suchen. Nach dem verpatzten Aufmarsch trafen sich die „Freien Kräfte“ im Laufe des Jahres zu Spontandemonstrationen, um den „staatlichen Repressionsapparat“ zu umgehen. Ihr Ruf nach dem „nationalen Sozialismus“ erlangte dabei, auch mangels Mobilisierungskraft, nicht die gewünschte Öffentlichkeit.

364 Tage nach dem ersten Akt könnten die Neonazis Erfolg haben – aber nur, wenn entschlossene Gegenproteste ausbleiben. Mit denen rechnen die Nazis selbst und versuchen deswegen, sie durch zwei separate Aufmärsche zu umgehen. Erfolg werden die Gegenproteste dann haben, wenn sie beiden Aufmärschen den Weg abschneiden. Wir laden alle fortschrittlich denkenden Menschen ein, dazu beizutragen.

 

Wie das geht? Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!
Kommt nach Leipzig & beteiligt euch an den antifaschistischen Protesten gegen die Naziaufmärsche!

 


 

Gefundenes Mobilisierungsvideo, welches jedoch nicht vom Bündnis "Roter Oktober" ist:

Video:Hauptsache es knallt! - 16.10. Naziaufmarsch stoppen!!