Entenwerder-Organisatoren ziehen vor Oberverwaltungsgericht / Polizei stürmt Zeltlager in der Nacht
Update 13.10 Uhr: Verwaltungsgericht veröffentlicht Begründung
Das Hamburger Verwaltungsgericht hat in einer Pressemitteilung
seine nächtliche Ablehnung des Eilantrags der Camporganisation
begründet. In der Erklärung bestätigen die Richter die Perspektive der
Versammlungsbehörde:
»Die durch die Verfügung geregelten Einschränkungen seien rechtmäßig. Die Untersagung des Aufstellens von Schlafzelten, des Errichtens von Duschen sowie des Aufbaus von Küchen finde ihre Rechtfertigung darin, dass es sich vorliegend nicht um eine notwendige versammlungsimmanente Infrastruktur handele. [...] Die Einschränkungen seien verhältnismäßig. Die Zahl der genehmigten Veranstaltungszelte ermögliche die Durchführung aller vom Veranstalter vorgesehenen Veranstaltungen. Versammlungsfremde Nutzungen würden hingegen ausgeschlossen. Die Beschränkung auf einen Teilbereich des Elbparks sei gerechtfertigt, um nachhaltige Schäden am Park zu verhindern und die diesbezüglichen Risiken der öffentlichen Hand gering zu halten.«
Update 11.55 Uhr: Camporganisation zieht vor Oberverwaltungsgericht
Die Organisatoren des antikapitalistischen Camps in Entenwerder ziehen
zur Durchsetzung der Schlafplätze und Kücheninfrastruktur offenbar vor
das Oberverwaltungsgericht. Die Richter hatten in einer nächtlichen
Eilentscheidung das umstrittene Vorgehen der Versammlungsbehörde
bestätigt und einen Widerspruch der Aktivisten abgelehnt. Die Begründung
der Eilentscheidung liegt zur öffentlichen Einsicht bisher aber noch
nicht vor.
Martin Klingner, der Anwalt der Camporganisation, erklärte gegenüber »nd« das Vorgehen der Behörden: »Gestern um 12 Uhr war das Camp in Entenwerder erlaubt. Die Blockade der Zufahrt durch die Polizei war komplett rechtswidrig. Es gab nicht einmal eine neue Verbotsverfügung. Dagegen habe ich einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht eingereicht, das Gericht entschied aber nicht sofort
darüber, sondern gab den Antrag an die Polizei für eine Stellungnahme.
Die Polizei verfasste erst daraufhin eine neue Verfügung, deren
Gefahrenprognose an den Park Entenwerder angepasst war, mit den
bekannten Auflagen: Keine Schlafzelte, keine Duschen. Dagegen habe ich
Widerspruch eingelegt, den das VG heute Nacht ablehnte. Ich bespreche
mit jetzt mit meinen Klienten und gehe davon aus, dass wir vor das
Oberverwaltungsgericht gehen.«
Berlin. Polizisten haben in der Nacht eines der Protestcamps gestürmt. Sie beschlagnahmten dort Zelte, es kam zu Pfeffersprayeinsatz. Mindestens zwei Menschen wurden zunächst festgenommen, so der Anwaltliche Notdienst. Vor Ort war von Verletzten die Rede. Die Linkspolitikerin Christiane Schneider sprach von einem ihres »Erachtens rechtswidrigen Polizeieinsatzes gegen ein gerichtlich genehmigtes Camp«. Schneider sagte vor Ort, die G20-Gegner seien friedfertig gewesen, einige hätten versucht, »Schlafzelte durch Sitzblockaden zu schützen«. Ein G20-Kritiker habe in die Notfallambulanz gemusst.
Der Anwalt der NoG20-Camps-Organisatoren, Mark Nerlinger, sagte in der Nacht, der Polizeieinsatz sei »völlig unverhältnismäßig« gewesen: »Es ist rechtswidrig, es war martialisch«. Die Camper hatten schon zuvor das Vorgehen der Polizei scharf kritisiert und als rechtspolitischen Skandal bezeichnet. »Die Hamburger Polizei verhindert eine angemeldete, rechtlich bestätigte Versammlung und bewegt sich mit ihrem Handeln klar im rechtsfreien Raum«, so die Vorbereitungsgruppe des »Antikapitalistischen Camps«.
Am Sonntagabend befanden sich nach einem länger andauernden Hickhack mit den Behörden, die den Zugang zunächst verhindert hatten, rund 600 Menschen auf dem Gelände und begannen damit Zelte aufzubauen. Ein Gericht hatte das Camp zuvor genehmigt. Auf der Grünfläche in Entenwerder waren daraufhin mehrere Zelte errichtet worden. Die Polizei aber verbot dann doch wieder das Übernachten in dem Camp. Hunderte Beamte umstellten das Gelände in Entenwerder, sie zogen sich aber nach dem Sturm auf die Zelte später wieder zurück. Dabei wurden sie mit von Farbe gefüllten Luftballons beworfen.
In einer neuen Verfügung sei den G20-Kritikern ein 16.000 Quadratmeter großes Areal auf Entenwerder zugewiesen worden, auf dem demonstriert, aber nicht übernachtet werden dürfe, sagte Polizeisprecher Timo Zill am Sonntagabend. Die Entscheidung über die neue Verfügung liege nun wieder beim Verwaltungsgericht. Hamburgs Innensenator Andy Grote twitterte am Montagmorgen, das Verwaltungsgericht Hamburg habe die »Linie der Versammlungsbehörde« bestätigt: »Kein Übernachtungscamp. Eilantrag der Camper heute Nacht abgelehnt.«
»Das Aufstellen von nicht versammlungsimmanenter Infrastruktur wie Schlafzelten kann dort aus Sicherheitsgründen allerdings nicht geduldet werden. Mit dieser Verfügung setzt die Polizei die rechtlichen Vorgaben im Sinne des Versammlungsgesetzes, insbesondere hinsichtlich des Sicherheitsaspektes und des Schutzes der Grün- und Erholungsanlagen, angemessen um«, erklärte die Versammlungsbehörde am Sonntagabend.
Juristen, die die Proteste gegen G20 unterstützen, erklärten, »das juristische Tauziehen um die Protestcamps ist Teil der Eskalations- und Verhinderungsstrategie der Hamburger Polizei. Damit soll die Infrastruktur geschwächt und Protest verhindert werden.« Den Hamburger Senat warfen sie vor, »mit seiner Strategie, jeglichen Protest als gewalttätig zu diskreditieren, dem Einsatzleiter Dudde freie Hand bei der faktischen Festlegung der politischen Linie« zu geben. Dies schließe auch »Rechtsbruchs durch die Polizei« ein.