Prozess: Verprügelten drei Nordhessen chilenischen Uni-Professor?

Erstveröffentlicht: 
12.02.2017

Göttingen/Kassel. Wegen einer mutmaßlich ausländerfeindlichen Gewaltattacke müssen sich drei junge Männer aus Nordhessen – sie kommen aus Kassel und Melsungen – vor dem Amtsgericht Göttingen verantworten.

 

Die zwischen 21 und 26 Jahre alten Angeklagten sollen im 2016 in der Göttinger Innenstadt einen 36-jährigen Professor der Wirtschaftswissenschaften aus Chile mit Schlägen und Tritten attackiert und verletzt haben.

 

Die Staatsanwaltschaft hat die drei Männer, die teilweise erheblich vorbestraft sind und der rechtsextremen Szene angehört haben sollen, wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung angeklagt.

 

Der 36-Jährige Professor war mit einer 25-jährigen Frau aus Hannover und einem 39-jährigen Mann aus Göttingen nach einem Gaststättenbesuch in der Innenstadt unterwegs gewesen. Dort trafen sie auf das Trio, das mit dem Zug aus Kassel angereist war und kräftig dem Alkohol zugesprochen hatte.

 

Laut Anklage soll der 26-jährige dem Chilenen einen so heftigen Schlag ins Gesicht verpasst haben, dass er zu Boden ging. Anschließend sollen die Angeklagten den 36-Jährigen weiter geschlagen und getreten haben. Folge war auch ein Daumenbruch.

 

Zum Prozessbeginn räumte der 26-Jährige den Faustschlag ein. „Das tut mir von ganzem Herzen leid“, sagte der Angeklagte, der wegen diverser früherer Delikte eine mehrjährige Haftstrafe absitzt und nach eigenen Angaben derzeit an einem Hilfsprogramm zum Ausstieg aus der rechtsextremen Szene teilnimmt.

Die beiden anderen Angeklagten machten unterschiedliche Angaben zum Tatgeschehen. Der 25-Jährige bestritt, selbst Gewalt ausgeübt zu haben. Er habe nur versucht, seinen 26-jährigen Kumpan von dem Geschädigten wegzuziehen. Der 21-jährige Mitangeklagte sagte dagegen aus, dass der 25-Jährige den am Boden liegenden Mann mit Tritten traktiert habe, während der 26-Jährige diesem von oben herab ins Gesicht geschlagen habe.

 

Für den chilenischen Wissenschaftler, der in dem Prozess als Nebenkläger auftritt, hatte die Attacke einen ausländerfeindlichen Hintergrund. Die Angeklagten hätten nur ihn angegriffen. „Es ging nur um mich und meine Herkunft“, sagte der 36-Jährige, der neun Jahre in Göttingen gelebt hat. Er hat an der Universität promoviert und war danach noch mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Inzwischen hat er eine Professur in Chile.

 

Er habe sich zunächst verbal zur Wehr gesetzt, sagte er bei seiner Zeugenvernehmung: „Ich lasse mich nicht erniedrigen.“ Dann habe er einen Schlag bekommen, sei nach hinten gefallen und erst wieder zu sich gekommen, als die Polizei kam. Trotz des Vorfalls sei er immer noch gerne in Göttingen: „Das ist die Stadt, die mir alles gegeben hat.“ Der Prozess wird fortgesetzt.