Antifaschisten vor Gericht

Erstveröffentlicht: 
15.04.2010

15.04.2010 / Inland / Seite 4

 

Antifaschisten vor Gericht

 

In Stuttgart wehren sich Neonazigegner gegen ihre Verurteilung, in Friedberg ist ein Polizeiopfer angeklagt
In Stuttgart wird eins der größten Verfahren gegen Antifaschisten in jüngster Zeit fortgesetzt. Die sieben Beschuldigten sollen am 16. Februar 2007 in Sindelfingen Besucher eines Neonazikonzertes angegriffen haben. Im September 2008 wurden sie deshalb zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt. Drei Angeklagte bekamen bis zu zwei Jahre und vier Monate ohne Bewährung aufgebrummt. Gegen vier Betroffene wurden mehrmonatige Haftstrafen mit langen Bewährungsfristen verhängt. Die Anwälte widersprachen dem Urteil geschlossen. Der erste von sechs Verhandlungstagen im Berufungsprozeß ist am kommenden Montag.


Das Konzert mit dem neofaschistischen Liedermacher Frank Rennicke im Februar 2007 hatte die NPD organisiert. »Stadtverwaltung, Polizei und Justiz vor Ort entschieden sich für eine Strategie des Ausschweigens«, so die Ortsgruppe Stuttgart der Roten Hilfe im Rückblick. Antifaschisten, die dieses Tolerieren nicht dulden wollten, hätten sich an dem Abend einem Großaufgebot der Polizei gegenübergesehen. Dennoch soll es den sieben Verurteilten laut Anklage am späteren Abend gelungen sein, Konzertbesucher angegriffen zu haben. Die Rote Hilfe sieht in dem Verfahren den Versuch, von den nazistischen Aktivitäten und ihrer Duldung abzulenken und statt dessen Antifaschisten zu diffamieren. Die Organisation ruft zur Solidarität mit den Betroffenen und zur Prozeßbeobachtung auf (19./20. und 26./27. April sowie 10./11. Mai, jeweils um 9 Uhr, Landgericht Stuttgart, Urbanstr. 20). Zum Auftakt des Berufungsverfahrens findet am 19. April um 8.30 Uhr eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude statt.

Ebenfalls zur Prozeßbeobachtung ruft die SDAJ in Hessen auf. Dort steht Nico P. am heutigen Donnerstag vor Gericht. Gemeinsam mit etwa 2000 Neonazigegnern hatte er sich am 7. November vergangenen Jahres in Friedberg an friedlichen Blockaden beteiligt. Zu den Aktionen, die den Aufmarsch Rechtsextremer durch die Innenstadt verhindern konnten, hatte das Wetterauer Bündnis gegen rechts, das aus knapp 80 Gruppen, Vereinen, Parteien, den Kirchen und Einzelpersonen besteht, aufgerufen. Die Polizei ermöglichte den Neonazis eine Ersatzroute, kesselte die Blockade ein und räumte die Antifaschisten schließlich gewaltsam. Davon betroffen war auch Nico P., SDAJ- und aktives Gewerkschaftsmitglied. Die Polizei schlug auf ihn ein und zerrte ihn aus der Menschenkette. Heute steht er deshalb wegen »Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte« vor Gericht.

 

(jW)