Protest gegen Neonazi-Aufmarsch in Sinsheim

Der Polizeiaufwand war auffallend hoch. Schätzungen zufolge waren in der Innenstadt und am Bahnhof deutlich über 200 Beamte im Einsatz, hier am Kopf der Bahnhofstraße, wo sich eine zweite Gegendemo hinzugesellt hat.
Erstveröffentlicht: 
25.04.2016

Gesänge gegen rechtsradikalen Aufmarsch und mehr Polizei als Kundgebungsteilnehmer: Protest trug mitunter groteske Züge

 

Gegen einen Auflauf rechtsradikaler Gruppen demonstriert wurde am Samstag in der Innenstadt. Dazu aufgerufen hatte das "Bündnis für Toleranz", dem Parteien, Organisationen, Kirchengemeinden, Gruppen und Einzelpersonen aus dem gesamten Kreisgebiet angehören. 26 Initiativen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens - unter ihnen Oberbürgermeister Jörg Albrecht und die Fraktionen des Gemeinderats bis hin zu den hiesigen Land- und Bundestagsabgeordneten - hatten den Aufruf unterzeichnet, in dem ein musikalisches Zeichen gesetzt werden sollte.

 

Rechtsradikale: etwa 40 Personen. Gegendemo: etwas mehr als das Doppelte. Polizei: über 200 Mann. Etwas bizarr mutet inzwischen das Geschehen schon an, das sich in loser Folge zwischen Wächter, Allee und Elsenzbrücke zuträgt. Der jährlichen sogenannten "Mahnwache" gegen Kinderschänder, organisiert von NPD-Anhängern aus dem Kraichgau, von der Bergstraße und aus der Pfalz, begegnete das Sinsheimer Bündnis für Toleranz dieses Mal mit dem Singen von Liedern.

 

"Wo man singt, da lass’ dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder" war das Motto des Gegenprotests. Und mit Wandergitarre und Fiedel wurden die "Tulpen aus Amsterdam" angestimmt, erklangen die "Internationale", "Die Gedanken sind frei" oder "Marmor, Stein und Eisen bricht". Auch ein eigener Song zur Melodie von "Die oidn Rittersleut’" wurde zum Mitsingen auf Blättern ausgeteilt und sollte "Die alten Nazisleut’" auf die Schippe nehmen.

 

Immer die selben - dieser Eindruck gilt indessen mittlerweile hüben wie drüben. Getrennt durch schwere Absperrgitter und Einsatzkräfte in Kampfmontur nimmt so der eine den anderen kaum wahr. Dass dann am Kopfende der Bahnhofstraße auf Höhe Gasthaus "Zur Linde" meist noch linke Gegendemonstranten auflaufen, denen die Bündnis-Aktionen zu wenig kämpferisch sind - auch das trägt zum etwas ritualisiert wirkenden Charakter des Schauspiels bei. Sinsheim ist kein Zentrum des antifaschistischen Widerstands, des nationalen - wie von den Ultrarechten händeringend propagiert - noch viel weniger. Das zeigten deutlich die Landtagswahlen und noch deutlicher der windig-kalte, verregnete Samstag.

Politprominenz machte sich eher rar in der schützenden Musikschulmuschel. Der einzelne Sinsheimer von der Straße, die 26 oft mitgliederstarken Unterzeichner des Aufrufs - auch sie zeigten sich schon einmal demonstrationsfreudiger. Allerdings: Diejenigen, die vor Ort waren und ausharrten - denen war es ernst.

 

Reaktionsfreudig hingegen die Polizei: In der allgemeinen Lauerstimmung wurde ein Grüppchen Rechtsextremer zuerst am Steinsfurter Bahnhof gesichtet. Es dauerte offensichtlich keine 20 Minuten bis auch die Ordnungsmacht Wind davon bekam und mehrere Mannschaftswagen vor Ort auftauchten.

 

Für Verwunderung, teils auch Kopfschütteln beim "Bündnis für Toleranz" sorgte die Tatsache, dass es den Rechten erlaubt war, über Muthstraße und Dührener Straße an die Theodor-Heuss-Schule und zurück zu marschieren. Der Zug durch die am frühen Nachmittag reichlich belebte Innenstadt wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Das alles lief friedlich ab. Zu Schäden jedweder Art kam es nicht. Am späten Nachmittag war der Spuk vorbei.