Fast unsichtbare Zeichen der Befreiung

Erstveröffentlicht: 
13.04.2016

Im April vor 71 Jahren befreiten US-amerikanische Truppen Leipzig

 

Während sich bei Jubiläen die öffentlichen Erinnerungsfeierlichkeiten geradezu überschlagen, geht es abseits jener eher verhalten zu. Und das, obwohl Leipzig in der visuellen Erinnerungskultur zur Befreiung weltweit eine exponierte Rolle spielt. Aber es scheint wieder einmal so, dass das Nahe allzu oft zu weit weg ist.

 

Es war in Leipzig, wo der US-amerikanische Fotograf Robert Capa am 18. April 1945 sein Foto »Last Man to die« aufnahm, das das Life-Magazine Mitte Mai druckte. Der getötete Soldat der 2. Infanterie-Division starb in der dritten Etage des Hauses auf der Jahnallee 61, als vereinzelte Volksstürmler die Zeppelinbrücke verteidigten. Aus diesem Anlass erfolgte vor einem Jahr die Umbenennung des Beginns der Erich-Köhn-Straße in Capastraße.

 

Noch eine Woche zuvor transportierte die Gestapo über 50 Gefangene nach Lindenthal, um sie dort hinterrücks zu erschießen. Heute liegt das Denkmal der 53 unbeachtet im sogenannten Tannenwald. In der Gohliser Olbrichtkaserne befindet sich ebenfalls außerhalb des öffentlichen Bewusstseins ein Gedenkstein. Hier starben am 13. April ausländische Zwangsarbeiter durch Schüsse. Als die US-amerikanischen Streitkräfte am 18. April in Leipzig einrollten, wurden sie Zeugen des »Massakers von Abtnaundorf«, dessen Aufnahmen Eingang in die Nürnberger Prozesse fanden. Von 300 Häftlingen des KZ Leipzig-Thekla, die in Baracken gesperrt verbrennen sollten, fanden 100 den Tod. Die Fotografin Margret Bourke-White zeigte dies ebenso schonungslos wie die am 19. April aufgenommenen Toten im Neuen Rathaus. Beim Einmarsch töteten sich unter anderem Oberbürgermeister Alfred Freyburg und Stadtkämmerer Kurt Lesso samt Familien in ihren Dienstzimmern.

 

Erinnert seit 2011 eine leicht zu übersehende Gedenktafel am Dittrichring an die US-Streitkräfte, so wirbt derzeit unweit entfernt ein Immobilienbüro für den Kauf des Geländes an der Ecke Bose- und Gottschedstraße – genau dort, wo das Centraltheater (heute Schauspiel) den Kunstraum »Weißes Haus« installierte. Heute ist die Ecke umzäunt und ungenutzt. Vor der Zeit als Brache stand hier ein recht stattliches Haus, in dem seit 1933 die Kreisleitung der NSDAP zu Hause war. Sie befand sich schräg gegenüber der Synagoge, die in der Pogromnacht 1938 zerstört wurde. Die Kreisleitung wurde durch Bomben am 4. Dezember 1943 getroffen.

 

Im Völkerschlachtdenkmal gaben symbolträchtig am 20. April die letzten Vertreter des Volkssturms um Hans von Poncet – den letzten Kommandanten von Leipzig – ihren sinnlosen Kampf auf.