Die Ostertagung des völkischen „Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff)“ (BfG) in der Lüneburger Heide haben auch Rechtsextremisten dem europäischen Ausland besucht.
Einige Kinder spielen an der Schaukel hinter dem Gasthaus „Zur Post“. Die Mädchen tragen lange Röcke und Kleider, die Buben dunkle Hosen und Wollpullover. Ein sonniger Ostersamstag im niedersächsischen Dorfmark im Heidekreis. Der Augenarzt Hartmut Klink, Ehemann der BfG-Vorsitzenden Gudrun Klink, steht auf dem Hof daneben, schaut nach dem Rechten. Etwas später holt eine ältere Frau aus Süddeutschland eine Kiste aus ihrem Wagen, auch kleine Stöcke trägt sie in den Gasthof, in dem seit Jahren die „Ludendorffer“ tagen. Die Mittsiebzigjährige tritt manchmal als Märchenerzählerin auf – oder als „Frau Holle“ bei der Weihnachtsfeier des BfG. Sie wohnt am Bodensee in einer Wohngemeinschaft mit einer anderen Ludendorff-Anhängerin. Mit ihr unterhält sich ein Mann in dunklem Kapuzenshirt und Sonnenbrille. Erkannt werden will der etwa 50 Jahre alte Teilnehmer der Ostertagung offenbar nicht.
Viele der Völkischen scheuen die Öffentlichkeit, wollen nicht gefilmt werden. So gehen Gruppen von Frauen in Vollverschleierung in das Tagungshaus. Nur ihre langen Trachtenröcke erinnern daran, dass es sich hier um eine radikal-völkische Veranstaltung handelt. In Lederhose steht Bernd K. aus dem niedersächsischen Zeven (Kreis Rotenburg/Wümme) an der Zufahrt zum Parkplatz hinter der „Post“ und fotografiert die anwesenden Journalisten und Polizisten, er war laut „Spiegel“ Berater der NPD in Bremen. Auch ein NPD-Aktivist aus dem Kreis Lüneburg wird gesichtet.
„Sippengrab“ auf heidnischem „Ludendorffer“-Friedhof
Mit Wolfram Schiedewitz aus Seevetal südlich von Hamburg reiste der Vorsitzende des extrem rechten Vereins „Gedächtnisstätte“ an, an dessen Gründung die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck mitbeteiligt war. Der Landschaftsgärtner Schiedewitz aus der Nordheide leitet den Verein, der mit seiner großen Immobilie, dem Rittergut Guthmannshausen bei Weimar, als Zentrum für Geschichtsrevisionisten unterschiedlicher Couleur gilt. Bei der Einweihung einer Gedenkstätte für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs 2014 trat laut Einladung Hartmut Klink als Musiker auf. Auch seine Frau war zu dem Treffen, an dem über 200 Rechtsextremisten teilnahmen, gekommen.
Andere Akteure aus den Reihen der „Ludendorffer“ sind immer wieder als Referenten in der „Gedächtnisstätte“ zugange, so der im vergangene Jahr verstorbene ehemalige BfG-Funktionär Gundolf Fuchs und Karl-Heinz R. aus dem Kreis Dithmarschen, der sich auch als „Sprachschützer“ engagiert. Die Familie Schiedewitz ist offenbar weiter in die „Ludendorffer“-Szene eingebunden, ein „Sippengrab“ mit dem Namen findet sich auf einer „Ahnenstätte“, einem heidnischen Friedhof der „Ludendorffer“ in Ostwestfalen.
Ex-Lehrer bezweifelt den Holocaust
Mit der Presse will man bei den „Ludendorffern“ nicht sprechen. Ein pensionierter Lehrer aus Franken gibt sich am Rande der Tagung gegenüber Journalisten jedoch redselig. Er engagiere sich für das „Deutschtum“, sagt der ehemalige Pädagoge, der zum ersten Mal bei den „Ludendorffern“ sein will. Mit der „Gotterkenntnis“-Ideologie von Mathilde Ludendorff kennt er sich zwar nicht aus, umso besser jedoch weiß er von allerhand braunen Verschwörungstheorien zu berichten. Die Gaskammer im Konzentrationslager Dachau sei doch erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs installiert worden – durch die Amerikaner. Im Vernichtungslager Auschwitz seien Vergasungen gar nicht möglich gewesen, hat der Ex-Lehrer aus Fürth von dem Holocaust-Leugner Germar Rudolf gelernt. Den Holocaust habe es also nicht gegeben, vielmehr sei Adolf Hitler von jüdischen Finanziers unterstützt worden.
Bestätigt in seinen geschichtsrevisionistischen und wirren Thesen sieht sich der Pädagoge durch ein Buch, das bei der Ostertagung in der Gaststätte ausliegen soll: Auf dem Titel eines Heftes aus dem „Lühe-Verlag“ prangt ein Davidstern, darin verwoben ein Hakenkreuz. Dieses Büchlein, das der antisemitische Verleger und „Ludendorffer“ Harm Menkens herausgegeben hat, scheint für diese Klientel ein Beweis für die jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung.
Seit über 40 Jahren kommen die Anhänger der Antisemitin Mathilde Ludendorff nach Dorfmark, um hier ihre Ostertagung mit Mitgliederversammlung und zahlreichen Vorträgen und Kulturprogramm abzuhalten. In diesem Jahr dürften es kaum 100 Teilnehmer gewesen sein, sie kamen etwa aus Isernhagen bei Hannover, Wolfenbüttel, Rastatt, Berlin, Minden, Stendal, Ingelfingen. Stammgäste wie das Ehepaar Preisinger aus Bühnsdorf (Kreis Segeberg) oder Mitglieder der „Sippe“ B. aus Brandenburg durften jedoch auch in diesem Jahr nicht fehlen. Aber auch aus Schweden reiste eine Familie an, ein weiteres Ehepaar aus Frankreich und Teilnehmer aus der Schweiz.
Politische Fragen aus völkischer Sicht beantwortet
Nicht nur in Dorfmarker Pensionen und Hotels, sondern auch in Unterkünften in den Nachbardörfern haben sich die „Ludendorffer“-Familien einquartiert. Trotz eines Beschlusses der Stadt Bad Fallingbostel, zu der Dorfmark gehört, der Hoteliers auffordert, Zimmer nicht an Rechtsextremisten zu vermieten, wollen viele Pensionsbetreiber nicht auf die Einnahmen verzichten. In ihrem langjährigen Tagungshotel, dem „Deutschen Haus“, können sich die „Ludendorffer“ jedoch seit 2015 nicht mehr treffen, die Betreiber wollen mit dem braunen Treiben nichts mehr zu tun haben.
In den Vorträgen, zu denen sich die „Ludendorffer“ auch immer wieder externe Referenten einladen, wurden politische Fragen aufgegriffen und aus völkischer Sicht beantwortet, etwa wenn es um die Beschneidung von Mädchen in islamischen Staaten ging. Aber auch kulturelle Themen, beispielsweise in einem Referat über die Gebrüder Grimm, wurden bei dem viertägigen Seminar aufgegriffen. Ein eigenes kleines Orchester aus dem Nachwuchs der „Ludendorffer“ spielte wie in den Vorjahren wieder klassische Musik.
Gegen die Ostertagung demonstrierten Karfreitag und Ostersamstag mehrere Dutzend Menschen friedlich. DGB, SPD, Jusos und andere hatten dazu aufgerufen, im zehnten Jahr in Folge den Protest gegen die Rechtsextremisten auf die Straße zu tragen. „Wenn wir hier nicht stehen würden, würde niemand hier stehen“, sagte ein Vertreter des Netzwerks Südheide, das sich gegen Rechtsextremismus stark macht, bei der Kundgebung am Samstag. Die Polizei sperrte das Gasthaus „Zur Post“ mit Gittern ab.