Seit Jahresbeginn ist das Interesse an Selbstverteidigungskursen gestiegen. Speziell das Interesse von Frauen, machen Vertreter von Sportvereinen im Landkreis Leipzig deutlich, in denen Kampfsportarten trainiert werden. Eine Folge der Ereignisse der Kölner Silvesternacht.
Borna/Naunhof. Seit Jahresbeginn ist das Interesse an Selbstverteidigungskursen gestiegen. Speziell die Nachfrage von Frauen, so machen Vertreter von Sportvereinen im Landkreis Leipzig deutlich, in denen Kampfsportarten trainiert werden. Das sei eine Folge der Ereignisse der Silvesternacht von Köln und anderen Städten. Die Vereine warnen allerdings vor dem Glauben, ein Crashkurs könne Frauen in Gefahrensituationen sicherer machen.
„Es gibt mehr Nachfragen“, bestätigt Michael Schramm. Der Vereinsvorsitzende von Aktiv-Sport Saxonia Naunhof ist aber ein erklärter Gegner von Kursen, in denen Frauen binnen kürzester Zeit in den Stand versetzt werden sollen, einen Angreifer abzuwehren. Dazu brauche ein Kampfsportler drei Jahre lang wöchentlich mindestens eine Trainingseinheit. „Das ist wie bei einem Erste-Hilfe-Kurs“, so Schramm. „Wer weiß denn da nach einem halben Jahr noch genau Bescheid.“ Außerdem spielen bei der Abwehr von Angriffen auch psychische Fragen eine Rolle, fügt er hinzu. Zudem müsse, wer tatsächlich in der Lage sein will, sich im Falle eines Falles erfolgreich zu wehren, die entsprechenden Techniken automatisieren. Kurzlehrgänge wird es deshalb nicht geben bei Aktiv-Sport Saxonia, das Karate-Stützpunkte auch in Frohburg, Bad Lausick, Deuben und Grimma unterhält. Wohl aber empfiehlt der Vereinschef regelmäßiges Training, so wie es auch zehn Frauen in Naunhof machen. Keineswegs nur junge Damen, sondern auch über 50-Jährige. „Die Älteste bei uns ist über 70.“
Auch André Thormeyer vom Karatezentrum Kenbukan Borna bestätigt das gestiegene Interesse an Selbstverteidigungskursen seit Jahresbeginn. Und er warnt ebenfalls vor einer trügerischen Sicherheit, die der Besuch eines Kurzlehrgangs am Ende zur Folge haben könnte. Thormeyer schließt entsprechende Angebote für die Zukunft zwar nicht aus, womit aber ein längerfristiges Training gemeint ist.
Bei den Kampfsportlern des SV Groitzsch gab es vor Jahren einen Selbstverteidigungskurs. „Ganz sinnlos ist das nicht“, sagt Harald Engermann, Leiter der Abteilung Ju-Jutsu. Es sei aber eine Frage der Übung und der Praxis. „Sie müssen auch wissen, wie sie mit der Kraft umgehen.“ Nach einem Crashkurs sei jedenfalls niemand wirklich in der Lage, sich wirkungsvoll zur Wehr zu setzen.
Beim TSV 1863 Lobstädt gibt es eine Selbstverteidigungsgruppe, zu der neben einem Mann fünf, sechs Frauen gehören, sagt Hans-Jürgen Pech, Sportlicher Leiter der Abteilung Karate Bushido-Zhong-Ryu. Hier ist das prinzipielle Interesse an Selbstverteidigung in den letzten Wochen ebenfalls gewachsen. Geübt wird zweiwöchentlich, wobei es am Anfang der Ausbildung um rechtliche Fragen und Situationstraining geht. „Wir vermitteln, wie sich bestimmte Situationen vermeiden lassen“, sagt Pech. Etwa mit der Art des persönlichen Auftretens. Erst nach einer gewissen Zeit wird praktisch trainiert. „Meist Befreiungsbewegungen“ – und zwar so, dass der andere nicht verletzt wird. Ziel sei es nicht, das Gegenüber niederzumachen, sondern auf Distanz zu halten. Dabei handelt es sich nicht um eine Ausbildung zum Helden. „Wenn einem Einzelnen sechs Mann gegenüberstehen, kann der nur noch fliehen oder auf Hilfe von außen hoffen“, macht Pech klar.
Von Nikos Natsidis