„Die Kollegen sind echt angepisst“ - Dulig stellt sich Kritik von Polizisten

Erstveröffentlicht: 
23.03.2016

Sachsens SPD-Chef und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig hatte Teile der Polizei zuletzt in eine rechte Ecke gestellt und auch von mangelnder „interkultureller Kompetenz“ gesprochen – jetzt stellte sich Dulig der Diskussion mit 30 Beamten.

 

Dresden. Die Beamten reagierten entsprechend: Von einer Ohrfeige für jene, die tagtäglich den Kopf hinhalten müssen, sprach Hagen Husgen, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die Bereitschaftspolizei Dresden wehrte sich mit einem offenen Brief, andere fühlten den Tatbestand der Beleidigung erfüllt oder verlangten eine öffentliche Entschuldigung. „Die Kollegen sind echt angepisst“, brachte es Marko Pfeiffer von der Polizeidirektion Chemnitz auf den Punkt.

 

Mitten hinein setzte sich nun Dulig, allerdings ohne den aufgebrachten Polizisten auch nur ein Wort nach dem Mund zu reden. Stattdessen machte er das, was viele Menschen heutzutage vermissen: Unzweideutige Aussagen treffen, klare Positionen beziehen, sich der Diskussion ohne Vorbedingungen stellen. „Die Stimmung im Land ist schlecht, richtig schlecht – und das war sie auch schon vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt“, stellte der Vize-Regierungschef klar.

 

Und: Nach Angriffen wie in Bautzen, Clausnitz oder Heidenau genüge es nicht mehr, nur Betroffenheit zu zeigen – „es muss endlich etwas passieren, Worte reichen nicht mehr aus, wir müssen handeln“. Es waren diese Momente, in denen es schien, als wolle der kleine Koalitionär SPD die große CDU vor sich hertreiben. Doch Dulig will nicht als Parteitaktiker wahrgenommen werden. Die Rolle des Angreifers hat er vor knapp anderthalb Jahren mit der Regierungsbeteiligung abgestreift, neuerdings beginnt sie allerdings wieder zu schimmern. Dem Stellvertreter von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) geht es um mehr, um viel mehr, heißt eine der Botschaften.

 

So diagnostizierten Dulig wie auch die Polizisten gestern einen „Riss durch die Gesellschaft“, der längst auch Familien spalte. Peter Hebestreit von der Bereitschaftspolizei Dresden redete „der Politik“ ins Gewissen: „Die Leute suchen Antworten auf ihre brennenden Fragen – wenn ihr sie nicht gebt, dann machen das andere.“ Klaus Schreiber vom Seniorenrat meinte, Politiker steckten lieber die Köpfe in den Sand, als Probleme zu lösen – dabei sei die Situation unerträglich geworden. Und ein Kriminalbeamter von der Polizeidirektion Görlitz, der nicht genannt werden wollte, monierte: „Was viele, auch von uns, vermissen, ist der starke Staat. Und es reicht auch nicht, uns fehlende Kompetenzen zu unterstellen, wenn die Kollegen gerade mal einen eintägigen Crash-Kuschel-Kurs zum Umgang mit Asylbewerbern erhalten.“

 

Dulig hörte zu, ohne sich wegzuducken – und gab tatsächlich auch Antworten. Er erklärte das Sofortprogramm der Regierung, rechnete den Stopp des Stellenabbaus nicht schön, versprach aber auch nichts. Das kam an. „Solche Diskussionen müssen viel häufiger geführt werden, in allen Teilen der Bevölkerung“, fasste GdP-Landeschef Husgen die zwei Stunden zusammen. Aus Duligs Gang nach Canossa war tatsächlich ein Gespräch entstanden, eine vertrauensbildende Maßnahme von beiden Seiten.