Unternehmen Strafvollzug

Erstveröffentlicht: 
05.02.2016

Die Arbeit hinter Gittern soll Gefangene resozialisieren. Die Häftlinge erwirtschaften dabei Millionenumsätze. Ein Besuch in der Ulmer Justizvollzugsanstalt.


Peter Maier (Name geändert) hat Spaß bei seiner Arbeit. Gerade wirft er einen Blick in den Kessel und rührt sich durch 130 Liter Kohlrabi-Gemüse. Der Dampf steigt ihm ins Gesicht. „Es ist immer gut, im eigenen, gelernten Job zu arbeiten“, erzählt der 26-jährige Koch. In der Gefängnisküche ist immer was zu tun. In
seiner Freizeit droht ihm hingegen brutale Langeweile: Maier sitzt wegen Betrugs in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ulm. „Ohne Arbeit geht hier gar nix, da geht die Zeit nicht rum.“

Die Arbeit von Gefangenen gilt als wichtiger Bestandteil der Resozialisierung. Die Beschäftigung soll die Gefangenen auf das Arbeitsleben außerhalb der dicken Mauern vorbereiten - und gleichzeitig wirtschaftlich ergiebig sein. Sie bringt den Ländern jährlich Millionenumsätze ein. 

Neben Eigenbetrieben wie Schreinereien oder Bäckereien sind Montagebetriebe verlängerte Werkbank der Industrie und helfen etwa bei Auftragsspitzen. Rund 5000 Gefangene erwirtschafteten allein im Südwesten 2014 nach Angaben des Justizministeriums rund 31 Millionen Euro. Die Gefangenen in Nordrhein-Westfalen fertigen Produkte, deren Verkauf dem Staat 2014 insgesamt 32,4 Millionen Euro einbrachte. In Niedersachsen erwirtschafteten die Gefangenen 2014 einen Umsatz von rund 18,2 Millionen Euro. 

Maier schmeckt gerade ab. Es ist 9.17 Uhr. Er kocht hier für rund 290 Gefangene, heute stehen Hackbraten, Nudeln und Kohlrabigemüse auf dem Speiseplan. Maier hat ein Jahr lang auf der Plattform Ebay Autofelgen
und Motorräder zum Verkauf angeboten, das Geld kassiert - aber nie geliefert. Die Ware gab es gar nicht. Wegen 123 Betrugsfällen und einer Schadenssumme von 500 000 Euro erhielt er drei Jahre und zehn
Monate. 

„Das oberste Ziel ist die Resozialisierung. Alles andere wird untergeordnet“, sagt Gabriele Schmidt, die Leiterin des Vollzuglichen Arbeitswesens. Denn um Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnung ist es unter den Gefangenen nicht immer gut bestellt. „Es ist schon anstrengend - man bekommt Leute, die haben draußen noch nie gearbeitet“, sagte Küchenmeister Thomas Ege. Ständig muss der 38-Jährige seine Gefangenen im Blick behalten, anweisen, kontrollieren.

In der Gefängnisschreinerei riecht es nach Holz, hier wird gesägt, gefräst, geleimt. Rund 30 Gefangene produzieren Schränke oder Tische für Finanzämter und Polizeibehörden - aber auch für private Kunden.
Gabriele Schmidt ist verantwortlich für das Büromöbelprogramm im Land. Sie hält ein Hochglanzprospekt in der Hand, darin ist der Schreibtisch „Stilisto“ ebenso abgebildet wie Schränke und Container. Das Prospekt legen sie in Ämtern aus, sie schreiben Kommunen an, aber offensive Werbung vermeidet die JVA. „Das ist nicht gewünscht“ sagt Schmidt. Manche Unternehmen sehen in den Gefängnisbetrieben ungeliebte Billigkonkurrenz.

Auch von Sträflingen gibt es in Sachen Gefangenenarbeit teils mehr Druck auf die Anstaltsleitungen. Der Ex-Gefangene Oliver Rast gründete im Mai 2014 den nicht rechtsfähigen Verein Gefangenen-Gewerkschaft (GGBO) und stellt seitdem die Arbeitsbedingungen in deutschen Gefängnissen an den Pranger. Rast fordert den gesetzlichen Mindestlohn hinter Gittern sowie die Einbeziehung in die Sozialversicherung. Er spricht von bislang 850 inhaftierten Mitgliedern. 

Peter Maier verdient 3,18 Euro pro Stunde in der Gefängnisküche. Einen Teil seines Lohns wird für die Zeit nach der Entlassung als Starthilfe angespart, von drei Siebteln kauft er sich Tabak oder Süßigkeiten im Knastshop. Zu wenig ist das nicht, findet er. „Hier muss man ja keine Miete zahlen.“