Die Arbeit hinter Gittern soll Gefangene resozialisieren. Die Häftlinge erwirtschaften dabei Millionenumsätze. Ein Besuch in der Ulmer Justizvollzugsanstalt.
Peter Maier (Name geändert) hat Spaß bei seiner Arbeit. Gerade wirft er
einen Blick in den Kessel und rührt sich durch 130 Liter
Kohlrabi-Gemüse. Der Dampf steigt ihm ins Gesicht. „Es ist immer gut, im
eigenen, gelernten Job zu arbeiten“, erzählt der 26-jährige Koch. In
der Gefängnisküche ist immer was zu tun. In
seiner Freizeit droht ihm hingegen brutale Langeweile: Maier sitzt wegen
Betrugs in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ulm. „Ohne Arbeit geht hier
gar nix, da geht die Zeit nicht rum.“
Die Arbeit von Gefangenen gilt als wichtiger Bestandteil
der Resozialisierung. Die Beschäftigung soll die Gefangenen auf
das Arbeitsleben außerhalb der dicken Mauern vorbereiten -
und gleichzeitig wirtschaftlich ergiebig sein. Sie bringt den
Ländern jährlich Millionenumsätze ein.
Neben Eigenbetrieben wie Schreinereien oder Bäckereien
sind Montagebetriebe verlängerte Werkbank der Industrie und helfen
etwa bei Auftragsspitzen. Rund 5000 Gefangene erwirtschafteten allein
im Südwesten 2014 nach Angaben des Justizministeriums rund 31
Millionen Euro. Die Gefangenen in Nordrhein-Westfalen fertigen Produkte,
deren Verkauf dem Staat 2014 insgesamt 32,4 Millionen Euro einbrachte.
In Niedersachsen erwirtschafteten die Gefangenen 2014 einen Umsatz
von rund 18,2 Millionen Euro.
Maier schmeckt gerade ab. Es ist 9.17 Uhr. Er kocht hier für rund
290 Gefangene, heute stehen Hackbraten, Nudeln und Kohlrabigemüse auf
dem Speiseplan. Maier hat ein Jahr lang auf der Plattform Ebay
Autofelgen
und Motorräder zum Verkauf angeboten, das Geld kassiert - aber
nie geliefert. Die Ware gab es gar nicht. Wegen 123 Betrugsfällen
und einer Schadenssumme von 500 000 Euro erhielt er drei Jahre und zehn
Monate.
„Das oberste Ziel ist die Resozialisierung. Alles andere
wird untergeordnet“, sagt Gabriele Schmidt, die Leiterin des
Vollzuglichen Arbeitswesens. Denn um Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnung
ist es unter den Gefangenen nicht immer gut bestellt. „Es ist schon
anstrengend - man bekommt Leute, die haben draußen noch nie gearbeitet“,
sagte Küchenmeister Thomas Ege. Ständig muss der 38-Jährige
seine Gefangenen im Blick behalten, anweisen, kontrollieren.
In der Gefängnisschreinerei riecht es nach Holz, hier wird
gesägt, gefräst, geleimt. Rund 30 Gefangene produzieren Schränke oder
Tische für Finanzämter und Polizeibehörden - aber auch für private
Kunden.
Gabriele Schmidt ist verantwortlich für das Büromöbelprogramm im Land.
Sie hält ein Hochglanzprospekt in der Hand, darin ist der Schreibtisch
„Stilisto“ ebenso abgebildet wie Schränke und Container. Das Prospekt
legen sie in Ämtern aus, sie schreiben Kommunen an, aber offensive
Werbung vermeidet die JVA. „Das ist nicht gewünscht“ sagt Schmidt.
Manche Unternehmen sehen in den Gefängnisbetrieben ungeliebte
Billigkonkurrenz.
Auch von Sträflingen gibt es in Sachen Gefangenenarbeit teils mehr Druck
auf die Anstaltsleitungen. Der Ex-Gefangene Oliver Rast gründete im Mai
2014 den nicht rechtsfähigen Verein Gefangenen-Gewerkschaft (GGBO) und
stellt seitdem die Arbeitsbedingungen in deutschen Gefängnissen an den
Pranger. Rast fordert den gesetzlichen Mindestlohn hinter Gittern sowie
die Einbeziehung in die Sozialversicherung. Er spricht von bislang
850 inhaftierten Mitgliedern.
Peter Maier verdient 3,18 Euro pro Stunde in der Gefängnisküche. Einen
Teil seines Lohns wird für die Zeit nach der Entlassung als Starthilfe
angespart, von drei Siebteln kauft er sich Tabak oder Süßigkeiten im
Knastshop. Zu wenig ist das nicht, findet er. „Hier muss man ja keine
Miete zahlen.“