Leipzigs Ex-Stasi-Chef Hummitzsch ist tot

Erstveröffentlicht: 
28.12.2015
Generalleutnant sollte Montagsdemos verhindern und verhandelte später mit Bürgerrechtlern

VON JÖRG SCHURIGUND ANDREAS DEBSKI

 

Berlin/Leipzig. Nach einer Dienstbesprechung am Nachmittag des 4. Dezember 1989 schreibt der Leiter der Leipziger Stasi-Zentrale, Generalleutnant Manfred Hummitzsch, in sein Arbeitsbuch: „Alle Frauen ab 16.00 Uhr (nach Hause) – Türen, Fenster so verbarrikadieren, dass keiner reinkommt – grundsätzlich keine Schusswaffen – wir müssen diesen Montag überstehen – Ruhe, Besonnenheit, nicht durchdrehen.“ Hummitzsch ist nervös. In der Innenstadt demonstrieren 150 000 Menschen, Tausende sammeln sich vor der Stasi-Zentrale, die im Volksmund Runde Ecke genannt wird. Um einer Besetzung vorzubeugen, beschließt der Stasi-Chef, 30 Bürgerrechtler in das Gebäude einzulassen. Ein entnervter Hummitzsch notiert am Tag danach: „Gesetzliche Grundlage? Wille des Volkes.“ Er gibt auf, streckt die Waffen, verabschiedet sich später aus Leipzig.

 

Am 23. Dezember ist Manfred Hummitzsch – der wie nur wenige für die Staatsmacht im damaligen Bezirk Leipzig stand – im Alter von 86 Jahren nach langer Krankheit gestorben. Jener Mann, der im Herbst 89 zunächst noch angewiesen hatte: „Feindlich negative Aktivitäten sind mit allen Mitteln entschlossen zu unterbinden.“ Jahre später gestand er ein, dass die DDR-Führung auf alles eingerichtet gewesen sei – nur nicht auf die Macht von Kerzen und Gebeten.

 

Hummitzsch, der aus dem kleinen Limbach in Sachsen stammte, war von 1966 bis zum Januar 1990 Chef der Leipziger Stasi-Bezirksverwaltung. Nach der Friedlichen Revolution zog Hummitzsch an den Wohnort seiner Kinder nach Berlin. Über seine Arbeit als Stasi-Chef stand der hoch dekorierte Generalleutnant auch Medien Rede und Antwort.

 

So gab Hummitzsch zu Protokoll, dass ihm Stasi-Chef Erich Mielke am 9. Oktober 1989 höchstpersönlich die Anweisung zum Gewaltverzicht in drei Telefonaten übermittelt habe. In einem Interview mit der „Jungen Welt“ wies er im November 2009 ebenso Darstellungen zurück, die DDR-Führung habe im Vorfeld der Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 in Leipzig vorsorglich Leichensäcke bestellt, Herzchirurgen in der Behandlung von Schusswunden unterweisen und Panzer vorfahren lassen. All das hatte der damalige Bundespräsident Horst Köhler bei einer Feierstunde zum 20. Jahrestag der Demonstration gesagt. „Mein Mann hat seine Arbeit nie geleugnet und immer dafür geradegestanden“, erklärte jetzt Hummitzschs Witwe.