Berlin. Der Rückzug deutscher Truppen aus Afghanistan rückt in die Ferne. Der Bundestag hat am Donnerstag die Ausbildungsmission der Bundeswehr verlängert und ausgeweitet. Danach soll die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am Nato-Einsatz „Resolute Support“ zunächst bis Ende 2016 fortgesetzt und die Zahl der Soldaten um 130 auf bis zu 980 erhöht werden. In der namentlichen Abstimmung sprachen sich Unions- und SPD-Abgeordnete für die Verlängerung des Mandats aus. Die Opposition stimmte mehrheitlich dagegen.
Die Fraktion der Linkspartei lehnt den Afghanistan-Einsatz grundsätzlich ab. Bei den Grünen stimmte eine Minderheit in der Fraktion für den weiteren Einsatz, eine Mehrheit dagegen. Die Grünen-Abgeordnete Marieluise Beck begründete ihre Zustimmung in einer persönlichen Erklärung. Insgesamt stimmten von 602 Abgeordneten 480 für die Mandatsverlängerung, 112 dagegen, und zehn enthielten sich.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) räumte ein, die ursprünglichen Pläne zum Rückzug aus Afghanistan seien zu ehrgeizig gewesen. Die afghanischen Sicherheitskräfte hätten nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes „ein sehr hartes Jahr“ hinter sich. Künftig werde über die weitere Präsenz der Bundeswehr anhand von Fortschritten und nicht nach einem Zeitplan wie beim Abzug der Nato-Kampftruppen entschieden, sagte von der Leyen. Ein mögliches Ende dieser Mission stellte sie nicht in Aussicht.
Als Ziele der Ausbildungsmission nannte sie unter anderem eine bessere Zusammenarbeit von Polizei und Armee in Afghanistan und die Stärkung der Führungskompetenzen in der afghanischen Armee. Sie forderte die afghanische Regierung auf, mehr zur Stabilisierung des Landes zu tun. Gegenwärtig verließen viele gut ausgebildete Menschen das Land, weil ihnen zuhause die Zukunftsperspektiven fehlten.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, betonte, die Verlängerung des Mandats falle niemandem leicht, weil damit das Eingeständnis verbunden sei, „dass wir nicht so weit gekommen sind, wie wir wollten“. Mit Blick auf die Sicherheitslage am Hindukusch sagte er, es sei „unrealistisch“, Flüchtlinge in das Land zurückzuschicken. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wirbt dafür, afghanische Asylbewerber aus Deutschland in sichere Gebiete zurückzuführen.
Während die Grünen mit der Koalition darin übereinstimmen, dass sich insgesamt die Lage in Afghanistan verbessert habe, erklärte die Linken-Politikerin Christine Buchholz, Verteidigungsexpertin ihrer Fraktion: „Der Nato-geführte Krieg ist gescheitert.“ Sie verlangte, die deutschen Soldaten zurückzuholen. Die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger kritisierte das Ausbildungsmandat als zu unbestimmt. Es berge die Gefahr eines „Rutschbahneffekts“ zurück in kriegerische Auseinandersetzungen.
Die Nato-Mission „Resolute Support“ zur Ausbildung, Beratung und zum Training der afghanischen Sicherheitskräfte wurde Anfang dieses Jahres gestartet als Folgemission des am 31. Dezember 2014 beendeten Isaf-Einsatzes. An „Resolute Support“ sind insgesamt rund 12 000 Soldaten aus knapp 40 verschiedenen Ländern beteiligt.
Die Verlängerung der deutschen Beteiligung war nach der Eroberung von Kundus durch die Taliban Ende September ins Gespräch gebracht worden. An der Rückeroberung von Kundus, die dann wenige Tage später geschah, waren internationale Streitkräfte beteiligt.Die Nato hatte wegen der verschlechterten Sicherheitslage Anfang Dezember von ihren ursprünglichen Plänen Abstand genommen, ihre Truppen von 2016 an zu verringern. Das westliche Militärbündnis hatte außerdem beschlossen, bis auf weiteres in unveränderter Stärke in Afghanistan zu bleiben.
Berlin. Die Bundeswehr ist seit 14 Jahren in Afghanistan stationiert. Als Teil einer von der Nato geführten Schutztruppe war es zunächst ihre Aufgabe, zur Stabilisierung des vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes beizutragen. Von 2010 bis 2012 bekämpfte sie die radikal-islamischen Taliban im Norden des Landes offensiv. Damals waren mehr als 5000 deutsche Soldaten am Hindukusch stationiert, 55 kamen seit Einsatzbeginn in Afghanistan ums Leben.
Seit Ende 2014 gibt es keinen Kampfauftrag mehr. Die Nato beschränkt sich auf Ausbildung und Beratung der afghanischen Streitkräfte. Die Bundeswehrtruppe schrumpfte bis auf 850 Soldaten. Wegen der weiterhin angespannten Sicherheitslage soll sie im nächsten Jahr wieder auf 980 aufgestockt werden. Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels warnte: „Wir sind personell eng. Die Bundeswehr ist auf Kante genäht.“
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ist mit Vorstellungen zu einem Parteivotum für neue Bundeswehreinsätze in eigenen Reihen auf Widerworte gestoßen. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, stellt sich die Führung der SPD-Bundestagsfraktion gegen neue Vorschläge des SPD-Chefs.
Beim SPD-Parteitag in Berlin hatte Gabriel gesagt, vor einem möglichen Einsatz deutscher Bodentruppen in Syrien oder der angrenzenden Region wolle er auf jeden Fall einen „verbindlichen Mitgliederentscheid“ unter allen SPD-Mitgliedern organisieren. Wie es heißt, hatte auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier den Vorstoß für falsch gehalten.
Im Zusammenhang mit der Bundeswehr ist immer von einer „Parlamentsarmee“ die Rede – also von Militäreinsätzen, die von der Zustimmung des Bundestages abhängen. Ein SPD-Mitgliederentscheid könnte nur effektiv sein, wenn sich die frei gewählten SPD-Abgeordneten des Bundestages daran gebunden fühlten. Dies wäre aber nur mit einem „imperativen Mandat“ möglich, laut Grundgesetz sind die Abgeordneten aber ausdrücklich „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“.