Berlin. Die CSU erhöht in der Flüchtlingskrise den Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU). In einem Leitantrag für ihren Parteitag an diesem Wochenende verlangt die CSU eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen im nächsten Jahr. Ein entsprechendes Papier beschloss der Parteivorstand am Montag in München einstimmig. Deutschland müsse ein Signal aussenden, dass die „Kapazitätsgrenzen bereits erreicht“ seien. „Deshalb soll Deutschland für nächstes Jahr ein Kontingent für Bürgerkriegsflüchtlinge entsprechend seiner leistbaren Kapazitäten festlegen.“
Die CSU nennt aber keine Zahl, wie viele Flüchtlinge Deutschland 2016 noch aufnehmen könnte. Merkel, die als Gast zum CSU-Parteitag erwartet wird, lehnt bislang eine einseitig von Deutschland erklärte Obergrenze ab. Stattdessen will die Kanzlerin eine europäische Kontingentierung der Flüchtlinge erreichen, wie sie zeitgleich mit der CSU-Vorstandssitzung beim G20-Gipfel in der Türkei deutlich machte. Die CSU-Parteitagsregie sieht vor, dass die gut 1000 Delegierten am Freitagnachmittag zuerst den Leitantrag beschließen – und erst anschließend Merkel ihre Rede hält. Sie kommt damit unter Druck, sich dazu zu positionieren. Offene Kritik an der Kanzlerin gibt es in dem Papier nicht, dies ist nach einer Order von Parteichef Seehofer derzeit auch nicht erwünscht.
Seehofer gab nach Teilnehmerangaben in der Sitzung die Devise aus, Merkel mit der gebührenden Höflichkeit in München zu empfangen: „Wir sind anständige Gastgeber“, sagte Seehofer demnach.
Aus der SPD kommen ebenfalls Signale für europaweite Flüchtlingskontingente. Die SPD verfolge seit Wochen gemeinsam mit Merkel das Ziel, große Flüchtlingskontingente an die Stelle von „chaotischer Zuwanderung“ zu setzen, sagte Parteichef Sigmar Gabriel. Falls die CSU das auch wolle und Abstand nähme von Grenzschließungen in Europa, „wäre das eine gute Entwicklung in der CSU“. Eine Einschränkung des Asylrechts werde es dabei mit der SPD nicht geben, betonte Gabriel am Montag in Berlin.
Um nach den Pariser Terroranschlägen die Ängste in der Bevölkerung nicht weiter zu schüren, wollen CDU und CSU das Thema Flüchtlinge strikt von der Terrorbekämpfung trennen. So betonte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bei einem Besuch in Bayern: „Die Flüchtlinge aus Syrien sind vor dem barbarischen Terror geflohen.“ Zwar seien auch Kontrollen an den Grenzen und die Registrierung von Flüchtlingen notwendig; dies dürfe aber nichts an der freundlichen Aufnahme von Migranten ändern. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: „Es hat keinen Sinn, das mit der Frage des Flüchtlingszustroms zu vermischen.“ In der CSU-Vorstandssitzung warnten nach Teilnehmerangaben mehrere prominente CSU-Politiker – darunter Landtagspräsidentin Barbara Stamm und der Ehrenvorsitzende Theo Waigel – davor, beim Thema Flüchtlinge zu zündeln. Dies sei gefährlich, hieß es. Damit wurde Finanzminister Markus Söder zur Ordnung gerufen, der am Wochenende einen Zusammenhang zwischen der Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen und den Terrorangriffen hergestellt hatte. Söder hatte gemeint, es könne so nicht weitergehen: „Paris ändert alles.“
Das Gedenken an die Terroropfer von Paris hat der islamfeindlichen Pegida-Bewegung bei ihrer Demonstration am Montagabend in Dresden keine zusätzlichen Anhänger beschert. Im Gegenteil: Nach Schätzungen der Studentengruppe Durchgezählt versammelten sich am Abend zwischen 7000 und 8000 Teilnehmer vor der Semperoper.
Vor einer Woche hatte Pegida bis zu 8500 Anhänger mobilisieren können. Nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar hatten die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ mehr als 20 000 Menschen versammelt.
Gegen Pegida gingen am Montagabend etwa 1000 bis 1500 Menschen in Dresden auf die Straße. Sie waren dem Aufruf der Gruppe Gepida – „Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter“ – gefolgt.