Berlin. 60 Jahre nach Gründung der Bundeswehr hält die amtierende Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU), die Truppe für unverzichtbarer denn je. Die Linke im Bundestag will dagegen die deutsche Armee „abschaffen“ und das so einzusparende Haushaltsgeld in die Flüchtlingshilfe stecken. Der Wehrbeauftragte des Parlaments, Hans-Peter Bartels (SPD), stellt schlicht und einfach eine gewaltige Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit fest. Aufgrund schwerer Ausrüstungsmängel sei die Truppe nur noch „bedingt abwehrbereit“.
Zur Geschichte der Bundeswehr gehört der 2014 zu Ende gegangene Kampfeinsatz der deutschen Soldaten in Afghanistan. Teilweise waren im Land am Hindukusch bis zu 5340 Bundeswehrangehörige im Einsatz. Zur Verantwortung der deutschen Verteidigungspolitik gehöre es, vor Ort weiter „Verlässlichkeit“ zu zeigen, sagt Ursula von der Leyen. Deshalb soll die derzeit noch laufende Ausbildungsmission, an der bis zu 850 deutsche Uniformierte beteiligt sind, auf 980 Kräfte erhöht werden. In rund der Hälfte der afghanischen Provinzen sind inzwischen wieder Widerstandskräfte der Taliban, an manchen Orten auch Kämpfer der IS, in die Vorhand gekommen. So bilanzieren auch deutsche Afghanistan-Experten den über zwölf Jahre andauernden kriegerischen Einsatz der internationalen Streitkräfte.
Zurzeit sind noch 13 200 internationale Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Sie sollen, mit Ausnahme eines kleinen Kampfverbandes der USA, die dortigen Sicherheitskräfte weiter mit Ausbildung und Beratung unterstützen. Für die Bundeswehr werde sich an ihrem reinen Qualifizierungsauftrag nichts ändern, versichert die Bundesregierung. Bereits am kommenden Mittwoch soll das Bundeskabinett das neue ergänzte Mandat beschließen, danach muss der Bundestag darüber beraten. Harald Kujat, früherer Generalinspekteur, sieht die von Berlin vorbereitete Entscheidung indes als „Versuch zur Beruhigung der Nerven unserer Politiker“. Kujat stand einst als oberster Bundeswehrgeneral in Verantwortung für die Streitkräfte vor Ort. Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagte Kujat, der entscheidende Fehler der Nato sei gewesen, „abrupt umzuschalten von dem Einsatz mit Kampfauftrag zur reinen Ausbildungsunterstützung“. Die Nato sollte den Mut haben, für eine Übergangsphase von „mindestens zwei Jahren“ zweigleisig zu fahren, also bei der Ausbildung der Truppen zu helfen und „eine Feuerwehr-Komponente mit einem Kampfverband bereitzuhalten“.
Kujat lässt aber keinen Zweifel daran, dass die deutschen Streitkräfte auf absehbare Zeit nicht in der Lage wären, erneut in einen ernsthaften Kampfeinsatz auszurücken. Zugleich warnte er, der früher auch Chef des Nato-Planungsrates war, die Bundeskanzlerin entschieden davor, der Türkei im Gegenzug zu Wohlverhalten in der Flüchtlingsfrage militärpolitische Zugeständnisse für deren geplante Aktionen gegen das autonome Kurdengebiet in Nordsyrien zu machen. „Eine Unterstützung der nationalen Politik der Türkei zur Verhinderung eines separaten Kurdenstaates wäre ein schwerer Verrat an der Nato als demokratischer Wertegemeinschaft.“ Das hätte „im Ergebnis viel schwerwiegendere Folgen“ als der mögliche Beitrag der Türkei bei der Bewältigung der Flüchtlingsfrage. „Die Nato darf Präsident Erdogan für seine Eroberungspolitik nicht den Arm reichen“, sagte Kujat. Erdogan hatte mit Blick auf den G-20-Gipfel am Wochenende in Antalya die Kurden in Syrien davor gewarnt, ihr Einflussgebiet weiter in Richtung Westen auszuweiten. Rund 11 000 türkische Soldaten sollen sich bereits entlang der Grenze zu Syrien aufgestellt haben.
Erst vor Kurzem hatte die Bundesregierung in Berlin beschlossen, die in der Südtürkei stationierten „Patriot“-Raketenabwehrsysteme zusammen mit den 260 deutschen Soldaten in den kommenden Monaten abzuziehen und das Bundestagsmandat nicht zu verlängern. Als Grund für das Ende des inzwischen umstrittenen Einsatzes an der südlichen Grenze des Nato-Partners gilt die nicht mehr gegebene Gefahr syrischer Angriffe auf türkisches Hoheitsgebiet.