Petry gegen Höcke: Richtungsstreit um die Meinungsführerschaft in der AfD

Erstveröffentlicht: 
27.10.2015
Der Thüringer gibt gern den Lutz Bachmann von Erfurt – und hat sich einen Rüffel eingefangen

VON JÜRGEN KOCHINKE

 

Dresden. Zuletzt war es beinahe ruhig geworden um die krisengeschüttelte AfD (Alternative für Deutschland). Hatte der beinharte innere Machtkampf zwischen Parteigründer Bernd Lucke mit Frauke Petry aus Sachsen mit dem klaren Sieg der promovierten Chemikerin geendet, so schien die AfD allmählich in ruhigeres Fahrwasser zu steuern.

 

Darum aber ist es jetzt, gut drei Monate nach Petrys Triumph auf dem Parteitag in Essen, erstmal geschehen. Wieder ist von Streit die Rede, wieder lautet das Stichwort Machtkampf. Grund sind die rechtslastigen Provokationen des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke, zuerst auf seinen Anti-Asyl-Kundgebungen in Erfurt, dann im Fernsehen bei Günther Jauch. Umgehend zählte Petry den Thüringer gemeinsam mit ihrem Co-Bundeschef Jörg Meuthen herbe an – Rüffel nennt man das gemeinhin.

 

Vertreterin der Nationalkonservativen innerhalb der Partei

 

Zwar hat Petry dies anschließend wieder ein Stück weit relativiert, im Kern aber ist es das, was es ist: ein Richtungsstreit um Außendarstellung und Meinungsführerschaft in der AfD. Nun gilt auch Petry im Gegensatz zu Lucke als Vertreterin der Nationalkonservativen in der Partei, während ihr Ex-Konkurrent heute fast schon wie ein weichgespülter Liberaler erscheint. Höcke allerdings ist ähnlich gestrickt wie die Bundeschefin, alles aber mindestens drei Zacken schärfer. Immer wieder würzt er seine Reden mit grenzwertigen Formulierungen, streut bewusst Passagen ein, die anNS-Begrifflichkeiten erinnern – ohne diese direkt zu benennen.

 

Dazu zählt nicht zuletzt Höckes Rede von „Tausend Jahre Deutschland“, das es zu erhalten gelte; oder seine Warnung, dass wegen der vielen Flüchtlinge „die Angst-Räume für blonde Frauen größer“ würden. Zwar hat er sich später für die zweite Äußerung entschuldigt und betont, auch Brünette und Rothaarige seien betroffen. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack: Warum gerade blonde Frauen? War das eine versteckte Anspielung auf den Arier-Kult der Nazis? Und die Deutschland-Passage ein Fingerzeig aufs „Tausendjährige Reich“?

 

Nun ist Höcke kein strammer Nazi, er erscheint eher wie ein deutschnationaler Ideologe aus einer vordemokratischen Zeit. In jedem Falle aber darf man unterstellen, dass seine Slogans mindestens von jenen Zuhörern, die für nationalis-tische Formeln anfällig sind, auch genauso verstanden werden: als provokantes Spiel mit Positionen ganz rechts außen.

 

Damit aber wird Höcke zum Problem, nicht nur für die anderen Parteien und die Demokratie, auch für Petry und ihre Pläne mit der Alternative für Deutschland. Denn die Sächsin tut seit Monaten vieles dafür, der bösen Rede von der Rechtslastigkeit der gewendeten Nach-Lucke-AfD keine neue Nahrung zu geben. Wie gebremst wirkt sie, Selbstkontrolle um jeden Preis, und die der anderen gleich mit. Bloß keine Fehler machen, und die AfD als möglichen Koalitionspartner der CDU im Rennen halten – das scheint ihr heimliches Credo zu sein. Wer da ausschert, wird zurückgepfiffen.

 

Genau das ist nun Höcke passiert. „Wir möchten uns nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich deutlich von denjenigen unterscheiden, die zu Recht im politischen Diskurs Deutschlands als Extremisten gebrandmarkt und damit ausgeschlossen sind“, schrieb sie in der Rundmail an die Mitglieder gemeinsam mit Meuthen. Ziel der AfD sei eine „breite Verankerung in der Gesellschaft“, populistische Parolen seien da hinderlich. Fazit: „Daher sehen wir uns, ebenso wie die große Mehrheit der AfD-Mitglieder, vom derzeitigen Stil des Auftretens des thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke nicht vertreten.“

 

Zwar ist Petry zuletzt auf den Thüringer wieder ein paar Schritte zugegangen, kritisiert jetzt nur noch dessen Stil. Dennoch demonstriert ihre barsche Reaktion, dass sie eine böse Ahnung umzutreiben scheint: In dem redegewandten, keineswegs plump agierenden Höcke beginnt ein neuer Player im Machtspiel der AfD sein Gesicht öffentlichkeitswirksam zu zeigen – einer, der ihrem Projekt und am Ende womöglich sogar ihr selbst gefährlich werden kann. Einen solchen Konkurrenten, und das betrifft nicht nur die AfD, gilt es, bereits frühzeitig in die Schranken zu weisen.

 

Unterschiedliche Situationen in den Landeshauptstädten

 

Das hat nicht zuletzt mit unterschiedlichen Ausgangslagen in Dresden und Erfurt zu tun. Thüringens Landeshauptstadt war bisher nahezu Pegida-freie Zone, ganz im Gegensatz zu Dresden. Nun aber kommt Höcke daher und ist prompt in der Lage, Kundgebungen mit Tausenden Menschen zum Thema Asyl zu organisieren. An der Elbe aber will das der AfD partout nicht gelingen. Der Grund ist Pegida-Gründer Lutz Bachmann. Der hat in Dresden das Feld klar besetzt, hält aber von einem Schulterschluss mit der Petry-AfD nichts. Um es auf eine einfache Formel zu bringen: Was Bachmann in Dresden ist, ist Höcke in Erfurt.

 

An einem Punkt aber dürfte Petry gegenüber Höcke einen entscheidenden Trumpf in der Hinterhand haben. Sie ist nicht nur Bundeschefin, sondern darüber hinaus nach der Trennung von ihrem Mann nun mit Markus Pretzell liiert, immerhin AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen. Das aber ist der Landesverband, der in der Partei mit Abstand die meisten Mitglieder stellt – keine schlechte Ausgangslage für Petry.