Karlsruhe/ Heidelberg – Neun Monate lang hat „Simon Brenner“ die Heidelberger Studentenszene ausspioniert - jetzt bekommt die Polizei dafür vom Verwaltungsgericht eine Ohrfeige. Demnach war der Einsatz nämlich rechtswidrig.
Mittellange blonde Haare, Koteletten, sympathisches Gesicht - mit einem Spion, wie man sie sich vorstellt, hat der angebliche Heidelberger Germanistikstudent „Simon Brenner“ auf den ersten Blick nichts gemein. Doch er bespitzelt im Jahr 2010 für das Landeskriminalamt neun Monate lang die linke Heidelberger Studentenszene.
Und das offenbar zu Unrecht. Am Mittwoch gibt das Verwaltungsgericht in einer mündlichen Verhandlung bekannt, dass der Einsatz wohl rechtswidrig war. Denn eine Gefahr für Recht und Ordnung ging von den Bespitzelten nicht aus.
Zu Unrecht ausspioniert?
Geklagt hatten sechs damalige Studenten – einst Bekannte und Freunde von Brenner. Sie wollen, dass das Gericht den Einsatz rückwirkend als rechtswidrig einstuft. Dass Brenner ein Spion war, hatte keiner von ihnen vermutet. Das sei wirklich eine gruselige Geschichte, sagt Kläger Jasper M., der heute als Verleger arbeitet. Damals studierte er in Heidelberg Politik und Philosophie.
Er habe nie etwas Verbotenes gemacht, beteuert der 29-Jährige. Seine Beteiligung an Demonstrationen und Flugblattaktionen könne auf keinen Fall rechtfertigen, dass er bis ins Privatleben hinein ausspioniert worden sei.
In der Einsatzanordnung der Polizei kam M. nicht vor, ganz anders als der siebte Kläger, Michael Dandl. Er war eine der vier Ziel- und Kontaktpersonen von Brenner, sollte also ausspioniert werden. Doch dafür konnte das Verwaltungsgericht am Mittwoch keinen eindeutigen Grund erkennen.
Polizei nennt keine Details
Details wollte die Polizei auch auf Nachfrage des Gerichts nicht nennen. Und auch aus den Polizeiakten zum Spitzeleinsatz konnte es kaum etwas ableiten – die meisten Seiten waren zum Großteil geschwärzt, ein Teil der Akten lag gar nicht erst vor. Auch wenn es berechtigte Gründe für die Nichtvorlage der Akten gebe, gehe dies zulasten der Beklagten, so die Vorsitzende Richterin.
Wen genau Brenner ausspioniert und was er dabei herausgefunden hat, konnte das Gericht nicht klären. Es schenkte aber den sechs ehemaligen Studenten Glauben, die nicht in der Einsatzanordnung auftauchten, aber dennoch nach eigenen Angaben bis ins Private von Brenner ausgeforscht wurden.
Die Kläger, die Brenner nach seiner Enttarnung zur Rede stellten, sagten aus, er habe zugegeben, auch Daten über sie gesammelt zu haben. Er habe Datensätze über seine Bekannten angelegt und sie alle zwei Wochen weitergegeben. Es sei um politische und soziale Kontakte gegangen. Und sogar Wohnungsskizzen habe Brenner angefertigt. Die Polizei bestreitet das.
Hunderte Menschen bespitzelt
Der Vorwurf geht so weit, dass der Polizeispitzel von Hunderten Menschen im ganzen Bundesgebiet Daten gesammelt haben soll – laut Dandl nicht nur von Leuten aus dem linken Spektrum, sondern auch von ganz normalen Studenten und sogar von Eltern. Brenners Auftraggebern sei es um die Aufhellung der gesamten linken Szene gegangen.
Dandl vermutet, dass Brenner nur die Spitze des Eisbergs war. Anders als Freiburg oder Ulm habe Heidelberg 2010 gar nicht im Fokus der Ermittler gestanden, sagt er. Warum also einen Spitzel nach Heidelberg schicken, aber nicht nach Freiburg oder Ulm - oder auch Berlin oder Hamburg? Das spreche doch nur dafür, dass auch in anderen Universitätsstädten verdeckte Ermittler eingesetzt würden.
dpa/sag