Sachsen rechnet mit noch mehr Flüchtlingen

Erstveröffentlicht: 
06.08.2015

Brandenburg stößt Debatte um Kopfpauschale an

 

Von Jürgen Kochinke


Dresden. Die Krise beim Umgang mit rapide steigenden Asylbewerberzahlen hält Sachsens Regierung weiter in Atem. Zwar ist es noch nicht offiziell bestätigt, aber mittlerweile machen Meldungen die Runde, wonach die Zahlen weiter steigen. Bisher geht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch davon aus, dass dieses Jahr 450000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Nach dem Verteilschlüssel auf die Länder hat Sachsen davon gut fünf Prozent vorerst in Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen - also rund 23000 bisher. Nach internen Prognosen könnten aber bis zu 600000 das Bundesgebiet erreichen, womit 31000 in den Freistaat kämen.


Für Sachsen dürften die Folgen erheblich sein. Schon heute sind selbst die neu errichteten Notunterkünfte - wie das Zeltlager in Dresden mit 1100 Plätzen - innerhalb weniger Tage komplett belegt. Und täglich kommen 200 bis 300 neue Flüchtlinge an, bis heute sind es sachsenweit fast 15000. Sollten die Meldungen zutreffen, wäre das aber nur die Hälfte der Gesamtzahl in diesem Jahr.


Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen zwar stets von zügiger Abschiebung jener Flüchtlinge sprechen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsländern stammen - vom Balkan vor allem. Wirklich umgesetzt wird dies aber bisher nicht. Zugleich wird die Gesundheitsversorgung immer problematischer. So gab es im Dresdner Zeltlager drei Tuberkulose-Verdachtsfälle, bestätigt haben sich diese bisher aber nicht. Unspektakulär dagegen ist die Krätze, weil es sich um Einzelfälle und keinen Großausbruch handelt. Um die Erstversorgung zu entzerren, soll das Gesundheitsamt in Chemnitz entlastet werden. Bisher fanden nur dort Erstuntersuchungen statt, künftig solle dies laut Gesundheitsstaatssekretärin Andrea Fischer (CDU) auch in Dresden und Leipzig erfolgen.


Genscher verurteilt Gewalt


Unabhängig davon wollen Landespolitiker den Bund beim Asylthema stärker zur Finanzierung in die Pflicht nehmen. So forderte Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) eine Kopfpauschale von 1000 Euro Bundesmittel für die Länder - pro Monat und Flüchtling. Sachsens Finanzministerium will sich hier noch nicht festlegen. "Sachsen erwartet eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes", sagte Sprecher Stephan Gößl. In Kürze würden dazu Gespräche mit dem Bund geführt; Ziel sei eine langfristige Lösung. "Auf welchen Betrag das hinausläuft, lässt sich im Vorfeld nicht abschätzen." Hartmut Mangold (SPD), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, äußert sich dagegen eindeutiger. "Die Idee, eine Pauschale pro Asylbewerber zu erhalten, finden wir nicht uninteressant, wenn damit der Bund angemessen in die finanzielle Verantwortung genommen wird", sagte er. Sie würde für Länder und Kommunen mehr Planungssicherheit bei der Bewältigung der Aufgaben bedeuten. "Die Höhe der Pauschale müsste sich am tatsächlichen Bedarf einer fairen Lastenverteilung orientieren und in gemeinsamen Verhandlungen festgelegt werden", erklärte Mangold.


Wegen der zunehmenden Übergriffe auf Asylbewerberheime hat sich gestern auch Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) zu Wort gemeldet. Diese Angriffe erinnerten ihn an seine Kindheit im Nationalsozialismus, sagte er der Wochenzeitung Die Zeit. "Wissen Sie, immer wenn ich eine Meldung über einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim lese, stehen vor mir die Bilder meiner Kindheit: brennende Synagogen und zerstörte jüdische Ladengeschäfte.