Verteidiger will keine Zuhörer / Antrag abgelehnt
Von Sabine Kreuz
Enrico Böhm, der seit Ende 2014 für die NPD im Leipziger Stadtrat sitzt, musste sich gestern erneut vor einem Strafrichter verantworten. Oberstaatsanwalt Ralf-Uwe Korth legte dem 32-jährigen Leipziger vor dem Amtsgericht drei Anklagen zur Last. Dabei geht es um Körperverletzung sowie Beleidigung, Notruf-Missbrauch und versuchte Nötigung.
Anklage 1: Am 25. April 2014 soll Böhm in der Gemeindeamtsstraße
(Altlindenau) einer Radlerin einen Fußtritt gegen den Oberkörper
verpasst und ihr Verletzungen zugefügt haben. "Der Angeklagte nahm in
Kauf, dass die Radfahrerin stürzen könnte", sagte der Oberstaatsanwalt.
Er warf Böhm vorsätzliche Körperverletzung, Eingriff in den
Straßenverkehr und Beleidigung vor, da er die Frau zudem als
"Zeckenschlampe" beschimpft habe. Der NPD-Mann äußerte sich dazu nicht.
Die Betroffene, eine 29-jährige Auszubildende, hatte ihn damals
angezeigt und später auf Fotos erkannt, die ihr die Polizei vorlegte.
Sie belastete ihn auch vor Gericht. "Ich konnte nicht glauben, dass man
auf offener Straße angegriffen wird", empörte sich die Frau. Sie habe
weder den Angeklagten noch seine damaligen Begleiter gekannt. Die Gruppe
hielt sich an einem Pkw auf, dessen Scheiben offenbar kurz zuvor
eingeworfen worden waren. "Warum bekam ich die Wut ab? Ich hatte damit
gar nichts zu tun", so die Geschädigte. Sie sei damals lediglich zu
einem Supermarkt geradelt, weil sie dort einkaufen wollte.
Anklage 2: Am 10. Mai 2014 soll Böhm den Polizei-Notruf 110 gewählt
und sich über das Nichterscheinen von Beamten beschwert haben. "Es lag
kein Notfall vor", so der Oberstaatsanwalt. Hintergrund war, dass in der
Nacht zuvor das Haus eines weiteren NPD-Mannes in der Löbauer Straße
von Unbekannten beschädigt worden war. "Mein Mandant wollte die Polizei
auf die Dringlichkeit hinweisen. Zudem sollte der Staatsschutz
informiert werden", sagte Verteidiger Mario Thomas. Sein Mandant sei
davon ausgegangen, dass noch sofort vor Ort ermittelt werden müsse.
Anklage 3: Am 30. Dezember 2014 soll der Angeklagte in einem Telefonat
mit dem Jobcenter ausfällig geworden sein. Die Staatsanwaltschaft wirft
ihm vor, einer Call-Center-Mitarbeiterin angedroht zu haben, die
zuständige Sachbearbeiterin werde ihren Kopf unter dem Arm tragen, rufe
sie nicht in Kürze zurück. Hintergrund: Die Lebensgefährtin des
Angeklagten bekam Kosten der Unterkunft nicht gewährt, zudem wurde die
Regelleistung gekürzt, teilte Verteidiger Mario Thomas mit. Sein Mandant
bestreite eine versuchte Nötigung. Es sei nur die Rede von "ihr mal den
Kopf waschen" gewesen. Das wiederum bestritt die Telefon-Beraterin
(29).
Der Prozess wird mit weiteren Zeugenanhörungen morgen fortgesetzt. Wie
berichtet, ist Enrico Böhm mehrfach vorbestraft. Im
Bundeszentralregister befinden sich 13 Einträge. Der Verteidiger hatte
gestern zum Schutz des Lebens seines Mandanten den Ausschluss der
Öffentlichkeit beantragt. Auf Böhm seien 2014 mindestens sechs Anschläge
verübt worden. Richter Mathias Winderlich lehnte ab. Die
Voraussetzungen dazu lägen nicht vor.
Quelle: Leipziger Volkszeitung, 6. Mai 2015, S. 17