Nach Demo-Verbot müssen sich Stadt und Staatsregierung mangelndes Demokratieverständnis vorwerfen lassen

Erstveröffentlicht: 
09.02.2015
Oberbürgermeister Jung in der Legida-Falle

Von ERIK TRÜMPER


Leipzig – So viel öffentliche Entrüstung hatte Leipzigs OB Burkhard Jung selten auf sich gezogen – dabei war er doch eigentlich im Urlaub...


Die Stadt Leipzig verbot den für Montagabend angemeldeten Legida-Aufmarsch auf dem Augustusplatz. Die Begründung: Polizeinotstand!

Die Folge: massive Vorwürfe gegen die Stadt von links und rechts! „Undemokratisch“ sei die Entscheidung; das „Demonstrationsrecht als höchstes Gut“ in Gefahr (s. Stimmen unten). Doch ganz so einfach ist es nicht.

 

Die Fakten: Legida hatte eine Demo mit 10 000 Teilnehmern angemeldet und vorerst von der Stadt auch genehmigt bekommen. Doch statt der angeforderten 3100 Polizisten stehen morgen nur acht Hundertschaften bereit.

 

„Die reichen weder für die Absicherung einer Kundgebung von Legida, geschweige denn eines Aufzuges“, schrieb die Leipziger Polizei in ihrer Lage-Prognose an Innenminister Markus Ulbig (50, CDU). Und weiter: „Aus hiesiger Sicht können keine Personen- oder Sachschäden sehenden Auges in Kauf genommen werden.“

Doch Ulbig ließ die Leipziger abblitzen: „Die Polizeidirektionen Dresden und Chemnitz sind ebenfalls gehalten, ihre Einsätze mit deutlich weniger als den geforderten Einsatzkräften zu bewältigen!“ Die Stadt solle eine „eigene Bewertung“ vornehmen und „alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.“

 

Im Klartext: Leipzig soll selber entscheiden, er Minister ist raus!

 

„Hier wird dem Leipziger OB der Schwarze Peter zugeschoben“, so die SPD im Landtag. „Eine Bankrotterklärung der Staatsregierung“, wirft die LINKE Ulbig vor. „Die Polizei ist an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit angekommen“, schimpfen die Grünen. „Weitere Sparmaßnahmen verbieten sich daher.“

Die CDU springt dagegen Ulbig zur Seite: „Die Demonstrationen können auch mit den Beamten und entsprechenden Auflagen abgesichert werden.“

 

In einem aber sind sich dann alle einig: Mit dem Verbot wird das Demonstrationsrecht verletzt!


BERND MERBITZ, Polizeipräsident:

„Reine Kundgebungen allein könnte man eventuell mit den acht Hundertschaften absichern.

Die letzten Wochen haben aber gezeigt, dass es zu erheblichen Störungen kommt, da die Gegner von Legida immer aufrufen, die Demos zu stören.

Die acht Hundertschaften werden auf jeden Fall da sein.“

 

PROF. WERNER PATZELT, Politikwissenschaftler:

„Die Botschaft ist doch fatal: Man muss es offenbar dem Staat nur so teuer wie möglich machen, dann sichert er das Demonstrationsrecht nicht mehr ab. So wird automatisch Partei für die Gegendemonstranten ergriffen!“

 

TOBIAS HOLLITZER, Leiter Stasi-Museum „Runde Ecke“:

„Nur die Legida-Demo zu verbieten und die Gegendemos nicht, ist pure Willkür.

Gerade aus dem linken Umfeld gab es zuletzt massive Gewalt. Hoffentlich verschaffen die Gerichte dem Rechtsstaat Geltung und heben diesen Eingriff in die Grundrechte wieder auf!“


 

OB Burkhard Jung (56, SPD) erwischte der Streit gestern am letzten Tag seines Winterurlaubs.


Und er will die Vorwürfe so nicht stehen lassen: „Ja, das Demonstrationsrecht ist ein ganz hohes Gut. Wir müssen die Dinge hier in Leipzig aber beim Namen nennen: Wir haben einen linksautonomen Block, der fast schon terroristische Anschläge verübt. Legida ist von Neonazis und Hooligans untermischt. Die klare Haltung der Leipziger Polizei dazu ist, dass für die Sicherheit in der Stadt 800 Beamte nicht reichen.“

 

Und gegen Ulbig: „Dass der Innenminister seiner eigenen Polizeidirektion in den Rücken fällt, ist bemerkenswert.“

 

Ob die Legida-Demo heute Abend um 19 Uhr auf dem Augustusplatz doch noch stattfindet, werden im Laufe des Tages die Gerichte entscheiden.