Der Kongress platzt

Schillers „Ode an die Freude“

Kleinbottwar. Zum zweiten Mal in diesem Jahr konnte der „Deutsche Kongress 2009“ der neonazistischen „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GFP e. V.) verhindert werden.

Manchmal entwickeln Neonazis ein plötzliches Faible für mehr oder weniger idyllische Provinzlandschaften, in diesem Fall für den Nordosten Baden-Württembergs. Die abgeschiedene Lage außerhalb von Kleinbottwar im Landkreis Ludwigsburg sollte am ersten Novemberwochenende die ungestörte Durchführung des Jahreskongresses der „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GFP) sichern.

 

Im Juni hatte Jürgen Schützinger das „Waldhotel Forsthof“ in der Nähe des Weindorfes Kleinbottwar (Ortsteil von Steinheim an der Murr) angemietet. Was die „Forsthof“-Hotelleitung damals nicht wusste: Jürgen Schützinger ist der Vorsitzende des baden-württembergischen NPD-Landesverbandes, in seinem Wohnort Villingen-Schwenningen Kreis- und Stadtrat für die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ (DLVH) und seit vielen Jahren damit beauftragt, den großen Jahreskongress der GFP zu organisieren. Zu der Zeit, als sich Schützinger um den „Forsthof“ bemühte, war ihm gerade eben der „Deutsche Kongress 2009“ geplatzt. Vom 7.-8. Mai 2009 wollten sich die „Mitglieder und Freunde der GFP“ im "Van der Valk Hotel Berliner Ring" im brandenburgischen Blankenfelde-Mahlow treffen. 14 Tage vor Tagungsbeginn hatte die Geschäftsleitung jedoch den Vertrag gekündigt, Schützinger konnte keinen Ersatz finden und musste den Kongress in den Herbst verschieben.

 

Drei Tage vor dem nun anstehenden Ersatztermin (7. bis 8. November 2009) erfuhr „Waldhotel Forsthof“-Chef Gerhard Fruth durch Journalisten, wen er sich da ins Haus holen würde.  Fruth zeigte sich zuerst verwundert: „Polizei und VS haben mich nicht gewarnt“. Dann handelte er jedoch resolut, kündigte den Vertrag und erteilte der GFP ein Hausverbot. Schützinger musste den Teilnehmenden die erneute Absage des Jahreskongresses mitteilen.

 

In neonazistischen Kreisen führte die Stornierung zu großer Empörung. Mehrere Dutzend GFP-Sympathisantinnen versuchten, die Hotelleitung telefonisch unter Druck zu setzen. Doch Gerhard Fruth ließ sich nicht umstimmen. Solidarische Reaktionen und Unterstützung bekam der gebürtige Bayer Fruth von den Hotels und Pensionen im Raum Kleinbottwar, bei denen er in Unkenntnis des Veranstaltungshintergrunds weitere Betten reserviert hatte.

 

Den Kongress in Kleinbottwar hatte die GFP unter das Motto „EU – Europas Unglück!“ gestellt. In der Einladung war für Samstag mit Referaten des EU-Abgeordneten Andreas Mölzer (FPÖ, Annenheim) zum Thema „Eurorechte – Traum oder Wirklichkeit“, von Alfred Mechtersheimer (Starnberg) über die „Ausplünderung der deutschen Wirtschaft“, Bernd Rabehl (Berlin) über „die permanente Neugeburt der Nation in Europa“ und von Harald Neubauer (Coburg) unter der Überschrift „Bevormundet und entsouveränisiert – die Deutschen in Europa“ geworben worden. Am Sonntag sollte dann der GFP-Vorsitzende Andreas Molau den „Festvortrag“ halten. Wie so viele extrem rechte Gruppen in diesem Jahr, orientierte sich auch die GFP dabei an einem historischem Jahrestag: Dem 250. Geburtstag Friedrich Schillers wollte Molau seinen Vortrag „Das Ringen um das Innere Reich“ widmen.

 

Beim zuerst angekündigten Kongresstermin im Mai war ein weitaus ausführlicheres Vortragsprogramm angekündigt worden, unter anderem hätten im bei Berlin gelegenen Ringhotel auch noch Walter Post, Mario Kandil, Patrik Brinkmann, Karl Richter und Ingmar Knop auftreten sollen.

 

Im Weihnachtsbrief an die „lieben Freunde“ der GFP 2008 hatte Andreas Molau konstatiert: „Der Widerstand gegen unser Wünschen und Wollen wächst. (...) Hotels und Veranstalter werden unter Druck gesetzt“.  Der GFP-Vorsitzende Molau hatte daraus die Forderung abgeleitet: „Unterstützen Sie die Arbeit der GFP jetzt durch eine Spende im Rahmen ihrer Möglichkeiten, damit der Freiheitsraum in diesem Land nicht endgültig verschüttet wird.“ Der geplatzte „Deutsche Kongress“ könnte so der „Gesellschaft für freie Publizistik“ dieses Jahr wenigstens noch zur Spendensammlung dienen.

 

Anmerkung: Kein crossposting! Erstveröffentlichung bei redok.de - und bei linksunten.indymedia.org  mit freundlicher Genehmigung des Autors Robert Andreasch.