Razzia gegen bayerischen Neonazi-Versand

Erstveröffentlicht: 
07.11.2014

Bereits im Mai führte die Polizei eine Durchsuchungsaktion gegen die Allgäuer Neonaziszene durch. Wie sie erst jetzt mitteilt, wurden dabei über 900 Straftaten aufgedeckt, die Benjamin Einsiedler, dem Betreiber eines der größten deutschen Neonazi-Versandhandel, zugerechnet werden. Ein Haftbefehl wurde nicht erlassen während das Propagandageschäft weiter blüht. Ein Berliner Politiker hatte 2012 Anzeige wegen eines SS-Pullis erstattet.

 

Neben den kurz zuvor bezogenen Produktions- und Geschäftsräumen in Bad Grönenbach durchsuchte die Staatsschutzabteilung der Memminger Kriminalpolizei sieben weitere Objekte. Darunter auch ein Tonstudio bei Laupheim in Baden-Württemberg, in dem vermutlich einige der bei „Oldschool Records“ vertriebenen Tonträger produziert werden. Von diesen wurden 2.100 verschiedene Werke bestehend aus insgesamt 23.500 Exemplaren beschlagnahmt. Außerdem wurden 5 Terabyte Daten und weitere Gegenstände – etwa Hakenkreuzfahnen und Schlagstöcke – sichergestellt. Durch den auch internationalen Versand dieser Waren ergeben sich unter anderem die Straftatbestände Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Straftaten der Gewaltdarstellung, Jugendschutzverstöße, Aufforderung zu Straftaten und Beschimpfung von Religionsgesellschaften in zusammen 907 Fällen. Darüber hinaus wurden 13 Ermittlungsverfahren ebenfalls wegen Propagandadelikten gegen weitere Personen eingeleitet. Ein Teil des einschlägigen Materials wurde nicht über den Onlineshop angeboten und nur auf direkte Anforderung versand. Doch auch eindeutiges Material wurde offen angeboten. Selbst nach den Durchsuchungen waren laut antifaschistischen Aktivisten Textilien mit der Aufschrift „I love NS“ weiter über den Shop bestellbar. Gegen den 31-jährigen Betreiber wurde kein Haftbefehl erlassen. Einsiedler gilt zudem als Führungsperson der neonazistischen Skinheadgruppierung „Voice of Anger“ (VoA). Die Neonazikameradschaft ist mit rund 100 Mitgliedern eine der größten in Bayern und vor allem im Raum Memmingen aktiv. Erst im Oktober 2013 wurde dort eine Gruppe Jugendlicher mit einem Messer angegriffen: „Ich schlitz’ euch auf!“. Die Angreifer stammten aus dem Umfeld von VoA. Der Memminger Staatsschutz, der auch die Ermittlungen zur Messerattacke leitete, durchsuchte keine drei Monate später Projekt- und Wohnräume – allerdings von Antifaschisten. Seit dem Hinweis auf einen Pullover mit SS-Totenkopf im Shop von „Oldschool Records“ im Jahre 2012, der die Ermittlungen gegen Einsiedler einleitete, ließen die Ermittler mindestens anderthalb Jahre verstreichen bis es zum Zugriff kam. Die Anzeige wurde damals von dem berliner Politiker Hans Erxleben (Die Linke) erstattet. “Was strafbar ist muss auch bestraft werden”, sagte Erxleben dem Störungsmelder. “Die SS-Totenkopfverbände haben sich schlimmster Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. DieVerherrlichung von deren Symbolik ist nicht tolerierbar.”