- Im NSU-Prozess werden erneut Zeugen der rechten Szene befragt, doch sie mauern.
- Einige berufen sich auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht, andere argumentieren mit ihrem Wertegefühl.
- Die Zeugen aus rechten Szene nutzen den Auftritt vor dem Münchner
Oberlandesgericht, um ihre Gesinnung mit Kleidung zu demonstrieren.
Es ist ja nicht so, dass die rechte Szene erschüttert wäre über das, was die rechtsradikale Terrorbande NSU angerichtet hat: zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Es ist auch nicht so, dass diese Zeugen im NSU-Prozess deswegen bereitwillig aussagen würden: darüber, wer dem Trio geholfen hat, als es untertauchte, wer Kontakt hielt, wer ihnen Geld zukommen ließ. Die Phalanx der rechten Szene steht. Die rechten Zeugen mauern vor Gericht - seit Monaten.
Oft berufen sie sich darauf, dass sie ein Auskunftsverweigerungsrecht haben, weil sie sich mit ihren Aussagen sonst selbst belasten würden. So wie Jan W., der frühere Sachsen-Chef der im Jahr 2000 verbotenen Skinheadvereinigung Blood&Honour. Das einzige, was man von ihm erfuhr, ist, dass er 39 Jahre alt ist und Berufskraftfahrer, und dass er keine Kinder hat. "Das kommt mal vor", erklärte er. In seinen Kreisen gilt es als undeutsch, keine Kinder zu bekommen, wo man doch den "Volkstod" durch Überfremdung befürchtet. Nach fünf Minuten war er wieder weg.
In seiner Welt zählt die Bauordnung, nicht das Grundgesetz
Am Donnerstag aber konnte man ein besonders eindrucksvolles Katz-und-Maus-Spiel beobachten. Thomas G. trat als Zeuge auf, von Beruf Dachdecker und Vater von zwei Kindern. In seiner Welt zählt für ihn vielleicht gerade noch die Bauordnung, nicht aber das Grundgesetz. Da gelten seine eigenen Werte. Und diese Werte besagen: Weiße Deutsche halten zusammen. Man sagt nicht aus über Kameraden. Man schweigt.
Zum dritten Mal schon ist dieser Thomas G. vor das Münchner Oberlandesgericht geladen. Beim letzten Mal, im Juli, hatte er gesagt, er wisse schon, dass es einen Konflikt zwischen der Autorität des Gerichts und ihm gebe. Aber er könne es mit seinem Wertegefühl nicht vereinbaren, hier Namen von Mitgliedern der Skinheadszene zu nennen.
Richter Manfred Götzl will ihm das nicht durchgehen lassen. Sofort fragt er ihn an diesem Tag, ob Thomas G. einmal Mitglied der Hammerskins war oder es noch ist. Und sofort grätscht der Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben dazwischen, Olaf Klemke, der in der rechten Szene wohl bekannt ist. Das Geplänkel geht über Stunden. Am Ende gibt Götzl nach und gesteht Thomas G. zu, auf diese Frage nicht zu antworten. Er könnte Strafverfolgung auf sich ziehen. Der Zeuge wird dennoch in die Mangel genommen.
"Nationale Bleiche ohne Chlor"
Die Nebenklagevertreterin Seda Basay fragt nach Thomas G.s Spitznamen ACE. Ob es stimme, dass er damit "milde Bleiche, weißer als weiß" meine. Und Thomas G. sagt: "Nationale Bleiche ohne Chlor." Dann wird ihm sein Briefwechsel vorgehalten, mit einem anderen Rechtsradikalen, der das System der Bundesrepublik "restlos vernichten" will. Dazu brauche er "geistig und körperlich hoch belastbare Männer mit Eiern wie Kokosnüsse, die bereit sind, Blut fließen zu lassen und den Abzug durchzuziehen".
Solche Männer habe Thomas G. angeblich gefunden. Er habe ein Netzwerk von mehreren hundert Personen, heißt es in dem Brief. "Ich hab kein Netzwerk von Hunderten Leuten", sagt Thomas G.. "Das ist Quatsch." Er trägt ein Sweatshirt, darauf ein Adlerkopf und die Aufschrift: "Defenders of our Freedom. Glory will be ours." Er sieht sich als Verteidiger der Freiheit.
Und auch André E. trägt an diesem Tag ein besonderes Kleidungsstück, der Angeklagte, der in der ersten Reihe sitzt. Einst war er ein enger Freund von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Es ist ein T-Shirt mit der Aufschrift "Brüder schweigen - bis in den Tod". Das war das Motto der rechtsgerichteten amerikanischen Terrororganisation "The Order", die aus dem Untergrund heraus Anschläge verübte und 1984 den Radiomoderator Alan Berg ermordete. Der Nebenklagevertreter Yavuz Narin sagt, das könne den Zeugen beeinflussen, vor Gericht nichts auszusagen. Und es zeige auch, wo der Angeklagte André E. heute politisch stehe.
André E. sagt bisher nichts im Prozess aus. Er macht aber über sein Äußeres sehr deutlich, dass er sich der rechten Szene nach wie vor zugehörig fühlt. Auf seinem Bauch ist der Satz "Die Jew Die" tätowiert: "Stirb, Jude, stirb". Und über den Sommer ist auf seinen Händen ein neues Tattoo gewachsen: Es ist ein tiefschwarzer Totenkopf.