Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion ist erst wenige Wochen alt. Die Behörden gingen, so heißt es dort, nur von vereinzelten Kontakten von Burschenschaften zur extremen Rechten aus. Der Abschlussbericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses hingegen zeichnet ein anderes Bild: Einige der zehn genannten Unterstützer der Terrorgruppe verfügen über eine burschenschaftliche Vergangenheit. Erstmals wurde zudem die Mitgliedschaft des Vizechefs des militanten „Thüringer Heimatschutzes“ in einer Bayreuther Verbindung offiziell bestätigt.
Der Rechtsruck der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) hatte verbandsintern zu einem mittleren Erdbeben geführt. In der Folge verließen gut 40 Bünde ihren bisherigen Dachverband. Trotzdem vermochte die Bundesregierung keine „hinreichenden Anhaltspunkte“ für Bestrebungen der DB, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, zu erkennen. Zwar seien „vereinzelt Burschenschaftler Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen“ oder es bestünden „Kontakte rechtsextremistischer Personen und Organisationen zu Burschenschaften“, für die „überwiegende Mehrheit“ der [DB-]Mitgliedsburschenschaften sei dies nach ihrem Kenntnisstand aber nicht der Fall. Deshalb seien die Entwicklungen in der DB kein Thema im „Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ bzw. im „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“, teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken mit (pdf-Datei).
Offenbar hätte aber ein genauerer Blick gutgetan. Den Wind aus den Segeln dieser Argumentation nimmt nun der in der vorigen Woche vorgelegte Abschlussbericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, der schonungslos das Versagen des Sicherheitsapparates des Freistaates aufdeckt (pdf-Datei). Die Häufung falscher oder nicht getroffener Entscheidungen und die Nichtbeachtung einfacher Standards, so das fast 1.900 Seiten starke Dokument, ließen gar „den Verdacht gezielter Sabotage und des bewussten Hintertreibens eines Auffindens der Flüchtigen [Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, die Red.]“ zu. Außerdem thematisiert der Bericht – diese Erkenntnis wirft ein neues Licht auf die Burschenschaftsdebatte – die engen Verbindung gewaltbereiter Neonazis zu den Bünden.
Thüringer Neonazi-„Größen“ mit Verbindungen zu Bünden
Namentlich genannt werden zehn Unterstützer der Neonazi-Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), der zehn Morde an neun Menschen mit Migrationshintergrund und einer Polizistin sowie mehrere Banküberfälle und Bombenanschläge zur Last gelegt werden. Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der sich derzeit u. a. wegen Beihilfe zum Mord gemeinsam mit vier weiteren Mitverschwören vor dem Oberlandesgericht München verantworten muss, habe laut dem NSU-Bericht Kontakte zu der rechten Burschenschaft „Jenensia“ aus der die spätere neonazistische Burschenschaft „Normannia Jena“ hervorging, unterhalten. Beobachter galt der wegen Körperverletzung und Nötigung an zwei jungen Frauen verurteilte Kader des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS) als „eine der entscheidenden Vernetzungsfiguren der militanten Neonaziszene zum rechtskonservativen Spektrum“.
Die Mitgliedschaft von NPD-„Größen“ in Burschenschaften ist hinlänglich bekannt. Die beiden sächsischen Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel und Arne Schimmer gehörten während ihres Studiums als Mitglieder und später als „Alte Herren“ der Burschenschaft „Dresdensia-Rugia zu Gießen“ an. Laut dem Störungsmelder hat sich der stellvertretende NPD-Landechef von Thüringen und Listenzweite für die Landtagswahl am 14. September, Thorsten Heise, trotz fehlender akademischer Ausbildung solch einem Zirkel angeschlossen. Dies ginge bei der „pennalen Burschenschaft Chattia Hamburg“, zu deren Reihen der sich auf einer BKA-Liste mit „nachgewiesenen Kontakten zu Tätern oder Beschuldigten im NSU-Prozess“ befindende Heise gehöre. In der Vergangenheit war der bundesweit bekannte Neonazi strafrechtlich öfters in Erscheinung getreten. 1989 hat er versucht, einen Flüchtling mit einem Auto zu überfahren.
Christian K., der jüngere Bruder des in München angeklagten André K., habe dem Untersuchungsbericht zufolge der Burschenschaft Normannia Jena angehört. Dem widerspricht K. schriftlich gegenüber ENDSTATION RECHTS.. Er sei tatsächlich kein Mitglied der Burschenschaft Normannia zu Jena gewesen, habe allerdings den Status eines „farbentragenden Gastes“ gehabt. K., der nach eigenen Angaben Anfang des Jahrtausends aus der Szene ausgestiegen sein will, hatte mit seinem Musikprojekt „Eichenlaub“ 1999 ein Lied veröffentlicht, das sich direkt an die mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe richtete.
Auch die Einordnung in die Reihe der „NSU-Unterstützer“ durch den Abschlussbericht aus Thüringen weist K. von sich. Er sei heute und in der Vergangenheit kein Helfer des NSU gewesen und habe keinerlei Kontakt zu Mitgliedern des heute als NSU bekannten Trios nach ihrem Abtauchen im Januar 1998 gehabt. Auch habe er sich nicht an späteren Unterstützungsaktionen beteiligt bzw. von solchen gewusst. Sein Status im Gerichtsverfahren gegen den NSU sei der eines „Zeugen gegen Beate Zschäpe“.
THS-Vize war Burschenschaftler in Bayreuth
Erstmals offiziell erwähnt wird das Verhältnis des „THS-Vize“ Mario Ralf Brehme, der dem damaligen Anführer der militanten Neonazi-Kameradschaft, Tino Brandt, tatkräftig unter die Arme griff, zu Burschenschaften. Seit Mitte der neunziger Jahre sei der von den Behörden als „überdurchschnittlich intelligent, gerissen und ruhig“ eingeschätzte Aktivist in Burschenschaften aktiv gewesen, stellt der Untersuchungsausschuss fest. Während seines Jura-Studiums sei Brehme bei der völkischen Burschenschaft „Thessalia Prag zu Bayreuth“ eingezogen. Gegen Brehme wurde seinerzeit ebenso wie gegen den derzeit wegen Verdachts auf Kindesmissbrauch in U-Haft sitzenden früheren V-Mann Brandt wegen seiner Mitgliedschaft in der „Anti-Antifa-Ostthüringen“ ermittelt. Der Vorwurf lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, das Verfahren wurde allerdings eingestellt.