Abdurrahman E., der im September 2013 einen Angriff von einer Gruppe Neonazis auf dem Bahnhof von Bernburg nur knapp überlebte, will das schockierende Urteil des Landgerichts Magdeburg im Prozess anfechten. Dafür brauchen er und seine Angehörigen Ihre und Eure Unterstützung.
Mit schwersten Kopfverletzungen musste der damals
34-jährige Abdurrahman E. notoperiert werden und lag danach zwei Wochen
im Koma. Nur die schnelle intensivmedizinische Behandlung rettete sein
Leben. Noch heute leidet er körperlich und psychisch an den Folgen des
Angriffs – er ist seitdem arbeitsunfähig und muss nun seine beiden
Imbissbetriebe in Bernburg, wo seit mehr als 13 Jahren lebt, aufgeben.
Das rassistische Motiv wird vom Gericht nicht ausreichend berücksichtigt.
Abdurrahman E., seine Lebensgefährtin und ein Flüchtling aus Indien, der
dem Paar helfend zur Seite stand, hatten große Hoffnungen in den
Prozess am Landgericht Magdeburg gehabt. Nach 15 Prozesstagen
verurteilte das Landgericht Magdeburg am 2. Mai jedoch lediglich vier
der neun angeklagten Neonazis. Unter den Freigesprochenen befindet sich
auch der mehrfach einschlägig vorbestrafte Francesco L., Haupttäter der
rassistischen Misshandlungen an einem 12-jährigen Schwarzen Deutschen in
Pömmelte im Jahr 2006.
Das Tatgeschehen bezüglich der Angriffe
auf die Freundin und den Mann indischer Herkunft sei "nebulös" geblieben
und die Fußtritte gegen den Kopf des Imbissbetreibers müssten sich die
Fünf nicht zurechnen lassen, so der Vorsitzende Richter Sternberg in der
mündlichen Urteilsbegründung. Die anderen vier Angeklagten wurden zu
Haftstrafen von fünf Jahren bis acht Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Allerdings nicht wie von der Nebenklage beantragt wegen versuchten
Mordes aus rassistischen Gründen sondern wegen versuchten Totschlags.
Dabei
gab und gibt es für die Betroffenen und deren Anwälte auch nach der
Hauptverhandlung keinen Zweifel am rassistischen Tatmotiv. Vor Gericht
beschrieb Abdurrahman E. wie er an dem Abend des 21. Septembers 2013
seinen Imbiss im Bahnhof schließen wollte und dabei von einem der
Angeklagten u.a. als "Kanacken-Stück" beleidigt wurde. Er habe
beschwichtigend reagiert, so Abdurrahman E., da er "keinen Ärger"
wollte. Er hatte den Imbiss am Bahnhof ja erst wenige Wochen zuvor
eröffnet. Als ein weiterer aus der Gruppe dann aber seine Freundin u.a.
als "Türkenschlampe" und "Fotze" beleidigte, forderte Abdurrahman E.
mehr Respekt und legte seine Hand auf den Arm des Beleidigers.
An
den nachfolgenden Angriff kann er sich heute aufgrund der schweren
Kopfverletzungen nicht mehr erinnern. Seine Freundin jedoch kann die
Brutalität des Angriffs nicht vergessen. "Fass mich nicht an, du
Scheißvieh", habe der Beleidiger daraufhin gesagt, so ihre Aussage vor
Gericht. Das sei das Signal für die Gruppe gewesen, um kurz darauf über
Abdurrahman E. herzufallen. In der Beweisaufnahme wurde deutlich, dass
der zum Tatzeitpunkt 30-jährige Neonazi Maik R. aus kürzester Entfernung
eine Bierflasche an den Kopf des Imbissbetreibers warf, wodurch dieser
bereits die erste von mehreren potenziell lebensgefährlichen
Verletzungen erlitt. Danach mischten sich die in unmittelbarer Nähe
stehenden weiteren Angeklagten ein und schlugen den 34-Jährigen unter
"Scheißtürke"-Rufen zu Boden.
Vier der Angeklagten traten nach
Ansicht des Gerichts mehrmals vor allem auf den Kopf des Betroffenen ein
auch als er bereits bewusstlos am Boden lag. Als seine Freundin
dazwischen ging, wurde auch sie angegriffen und in den Rücken getreten.
Auch sein Bekannter, der ebenfalls zu Hilfe eilte, wurde
niedergeschlagen und getreten. Erst als sich Abdurrahman E. nicht mehr
rührte, ließen die Neonazis ihn blutend auf dem Bahnsteig zurück, um
samt Bierkasten weiter einen Junggesellenabschied zu begehen.
Abdurrahman E. legt Revision gegen Urteil ein
Das
Gericht stellte zwar fest, dass die Angeklagten mehrheitlich zur
rechten Szene gehörten und "Ausländerfeindlichkeit" bei dem Angriff eine
Rolle gespielt habe aber "nicht das tragende Motiv" gewesen sei. Es
könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Imbiss-betreiber
möglicherweise nach der Beleidigung seiner Freundin einen Stock geholt
und damit gedroht hätte. Damit folgte die Kammer in Teilen den
Behauptungen der Angeklagten, sie hätten sich nur gewehrt. Die
Betroffenen hatten stets bestritten, Messer oder einen Stock benutzt zu
haben. "Dass uns nicht geglaubt wird, ist nur schwer zu ertragen und ein
zusätzlicher Schlag ins Gesicht", so die Reaktion der Betroffenen auf
das Urteil. Mit keiner Silbe würdigte das Gericht das engagierte
Eingreifen der Lebensgefährtin und des Bekannten. Im Gegenteil: Der
Freundin wurde unterstellt, sie hätte sich die Beleidigung
"Türkenschlampe" nur ausgedacht und der Inder hätte vielleicht doch ein
Messer in der Hand gehabt.
Noch sind die Urteile nicht
rechtskräftig da sowohl die Staatsanwaltschaft, die Verteidiger der vier
Verurteilten als auch der Nebenklageanwalt von Abdurrahman E. Revision
eingelegt haben. Der Betroffene will das Urteil nicht einfach
akzeptieren. Zuviel wurde mit der Tat zerstört, zu unglaublich die
Begründung des Gerichts. Doch je nachdem wie die Staats-anwaltschaft
ihre Revision weiter verfolgt und wie letztendlich der Bundesgerichtshof
bzw. im Falle einer Neuverhandlung eine andere Kammer entscheidet,
besteht für ihn ein nicht unerhebliches Kostenrisiko. Im ungünstigsten
Fall können sich die Revisionskosten auf über 8.000 Euro belaufen.
Deshalb
bitten wir Sie und Euch um Spenden! Sollte die Revision erfolgreich
sein oder nicht alle Gelder benötigt werden, würden die Spenden
unmittelbar dem Betroffenen zum Aufbau einer neuen Existenz zu Gute
kommen.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland unterstützt den
Spendenaufruf. Die Stellvertretende Bundesvorsitzende Ayşe Demir macht
deutlich: "Der Angriff in Bernburg zeigt uns erneut, dass rassistische
Gewalt in Deutschland ein dauerhaftes und alltägliches Problem ist. Und
dieser Fall ist exemplarisch für die potenziell tödliche Dimension
rassistischer Gewalt. Daran hat sich auch nach der unfreiwilligen
Selbstenttarnung des NSU nichts geändert. Umso unverständlicher ist es
für uns, warum das Landgericht Magdeburg keine rassistischen Motive bei
dem Angriff sehen möchte. Es bleibt zu hoffen, dass die rassistische
Dimension der Tat doch noch erkannt wird. Wir müssen endlich
akzeptieren, dass unser Problem hier Rassismus heißt. Aus diesem Grund
fordern wir eine gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit
rassistischen und rechten Einstellungen in der Bevölkerung und in
Institutionen."
Spendenkonto:
Miteinander e.V.
Bank für Sozialwirtschaft Magdeburg
IBAN: DE84 8102 0500 0008 4734 01
SWIFT / BIC: BFSWDE33MAG
Verwendungszweck: Bernburg/Revision