Im NSU-Prozess sagen Zeuginnen über einen Angriff von Beate Zschäpe und einer Kameradin aus dem Jahr 1996 aus. Verworren bleibt die Rolle der mutmaßlichen Helferin, deren Vater in Chemnitz observiert wurde.
Beate Zschäpe ist keine harmlose „Nazi-Braut“, wie sie von den Boulevard-Medien immer noch bezeichnet wird. Wie gefährlich die Hauptangeklagte im NSU-Verfahren bereits vor dem Gang in den Untergrund 1998 gewesen sein könnte, ist am morgigen Mittwoch Thema im Oberlandesgericht München. Zwei Zeuginnen aus Jena werden zu einem gewaltsamen Angriff aus dem Jahr 1996 befragt, an dem nur Frauen beteiligt waren. In ihren polizeilichen Vernehmungen belasteten die beiden die Angeklagte schwer. Demnach soll Zschäpe die Frauen gemeinsam mit dem damaligen Skingirl Jana A. von der Straßenbahn-Endhaltestelle in Winzerla aus verfolgt und die zierliche Maria H. brutal zu Boden gebracht haben. Das alternativ gekleidete Mädchen im langen Rock brach sich dabei den Fuß. Jana A. habe Schmiere gestanden.
Das zweite unverletzte Opfer gab an, so viel Angst vor Beate Zschäpe gehabt zu haben, dass es nicht helfen konnte. Die habe sich sogar noch rittlings auf ihr am Boden liegendes Opfer gesetzt. So lauten die Anschuldigungen aus dem September 1996, die beiden jungen Frauen erstatteten zeitnah Anzeige. Allerdings wurden die Unterlagen vernichtet und liegen nicht mehr vor. Eine der Betroffenen, eine Medizinstudentin, nahm bei der erneuten Vernehmung durch das Bundeskriminalamt (BKA) wohl an, Zschäpe könnte Maria verwechselt haben. Denn die war ein „liebes Mädchen“, eher zurückhaltend. Sie selbst war damals Punkerin, und Zschäpe sei ihr als „beeindruckende Persönlichkeit“ aus der radikalen rechten Szene in Jena schon ein Begriff gewesen. Sie haben deren Treffpunkte gemieden. Von Zschäpe hieß es damals, dass sie ein Messer trage und auch Männern gegenüber aggressiv werden könne, so die Zeugin.
Zschäpes „Walli“ im Gurt unter der Jacke
Interessant wäre in diesem Zusammenhang wohl auch die Befragung der heute 33-jährigen damaligen Mittäterin Zschäpes. Doch A. wurde nach zweimaliger Vernehmung im NSU-Prozess bereits im Frühjahr unvereidigt entlassen. Die ehemalige Freundin des Jenaer Neonazis André Kapke, die vor allem wegen einer äußerst geschmacklosen und rassistischen Geburtstagszeitung vernommen wurde, die sie mit dem Angeklagten Ralf Wohlleben erstellt hatte, sagte aus, sie sei mit Zschäpe nicht näher bekannt gewesen, man habe sich nur ein paar Mal gesehen.
Dennoch belastete das ehemalige Jenaer Skingirl die Angeklagte. Zschäpe habe früher unter ihrer Jacke in einem Gurt eine Pistole getragen, die sie „ihre Walli“ genannt habe. Ob es sich um eine scharfe Waffe gehandelt habe, wusste die Zeugin nicht.
An den Vorfall gegen die zwei Mädchen 1996 in Winzerla erinnerte sie sich nicht, unerwähnt blieb auch, dass sie mit Kapke und Zschäpe 1997 zu den „Hetendorfer Tagungswochen“ der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“ in die Lüneburger Heide gereist war. Wie andere Zeuginnen aus dem Neonazi-Spektrum spielte auch sie ihre Rolle geschickt herunter.
„Tochter des A. ist Mitglied in der Kameradschaft Jena“
Doch Jana A.s Verstrickung könnte noch viel tiefer gehen. So tauchten die Namen ihrer Mutter und ihres Vaters in Chemnitz in sächsischen und Thüringer Obervationsunterlagen zum untergetauchten Trio 1998 auf. Ronald A. wurde 1998 in Chemnitz an seinen Wohnorten observiert und in Verbindung mit „Blood&Honour“ gebracht. Beide Elternteile stritten ab, mit der rechten Szene zu tun zu haben, die Mutter wollte auch von der ehemaligen Szenezugehörigkeit ihrer Tochter nichts wissen. Später untersuchten Polizeibeamte wegen einer Namensähnlichkeit vor allem ein mögliches Verwandtschaftsverhältnis von Ronald A. zu Beate Zschäpe. Es gab die fälschliche Annahme, er könnte ihr Onkel sein.
Die Akten zu diesem Vorgang scheinen lückenhaft und undurchsichtig. 2000 tauchten dann noch die Neuheirat von Ronald A. sowie die Personalien von dessen polnischer Braut in den Observationsunterlagen des Landeskriminalamts Thüringen auf. Die Zielfahnder gingen immer noch von der Verwandtschaft zu Zschäpe aus und vermuteten, das Trio könnte heimlich an der Trauung teilnehmen. Über einen längeren Zeitraum hörten die Polizisten den Anschluss von Katarzyna R. ab. Währenddessen schien der Geheimdienst bereits mehr gewusst zu haben, 2000 lautete ein Vermerk im „Fall Terzett“ zu Ronald A.: „Die Tochter des A. ist Mitglied in der Kameradschaft Jena“.
Auch ein kleiner Nebensatz zum „Fall Drilling“ und dem Observationseinsatz in Chemnitz vom September 1998 verwirrt: Dort steht, dass Beamte des Landesamtes für Verfassungsschutz aus Thüringen und Sachsen gemeinsam die „Nahbeobachtung“ des Wohnsitzes von Ronald A. in der Wittenberger Straße durchführten und dabei auf einen Kollegen stießen, der im selben Haus wie A. wohnte. Der Mann, dessen Namen geschwärzt wurde, war tätig in der „Auswertung“ des sächsischen Geheimdienstes.