"Antisemitische Aufrufe der übelsten Art": Der Zentralrat der Juden hat Parolen bei propalästinensischen Kundgebungen in deutschen Städten kritisiert. Ein jüdisches Komitee erstattete Anzeige.
Frankfurt am Main - Der Zentralrat der Juden hat die teilweise antisemitischen Äußerungen auf propalästinensischen Kundgebungen in mehreren deutschen Städten scharf verurteilt. "Wir erleben hierzulande gerade eine Explosion an bösem und gewaltbereitem Judenhass, die uns alle schockiert und bestürzt", sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann. "Dass auf deutschen Straßen antisemitische Aufrufe der übelsten und primitivsten Art skandiert werden können, hätten wir niemals im Leben mehr für möglich gehalten."
In mehreren Städten, darunter Berlin, Frankfurt am Main und Essen, hatte es in den vergangenen Tagen Kundgebungen gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen gegeben. Dabei waren auch Parolen wie "Kindermörder Israel" oder "Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein" zu hören. Graumann kritisierte, Politik, Medien und Gesellschaft würden der "neuen Dimension des Antisemitismus" zu wenig Beachtung zu schenken. "Wo bleiben in diesen Stunden die klaren und lauten Verurteilungen?" Meinungsfreiheit müsse zwar gewährt sein, Toleranz habe ihre Grenzen aber dort, "wo andere Menschen verunglimpft und angegriffen werden".
Die jüdische Organisation American Jewish Committee (AJC) erstattete bei der Berliner Polizei Anzeige wegen Volksverhetzung. Sie forderte die Behörden zudem auf, gegen einen islamischen Hassprediger vorzugehen, der bei einer Ansprache in der Al-Nur-Moschee in Neukölln gegen Israel und Juden gehetzt habe. "Der Aufruf zum Mord ist mit nichts zu rechtfertigen", sagte die AJC-Direktorin Deidre Berger.
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) kündigte an, die Polizei werde unter Wahrung des Rechts auf Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit gegen antisemitische Äußerungen konsequent vorgehen. "In unserem Land und in unserer Stadt ist kein Platz für Antisemitismus", sagte er.
Die Bundesregierung indes sieht bislang noch keinen Anlass für erhöhte Alarmbereitschaft. Es werde auch weiterhin alles getan, "um israelische Staatsbürger und Einrichtungen zu schützen", sagte Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz. Es habe eine Reihe von Veranstaltungen "mit durchaus strafrechtlich relevanten Äußerungen einzelner Teilnehmer" gegeben, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin. Der Punkt, an dem bezüglich der Gefahrenbewertung weitere Schlüsse gezogen werden müssen, sei aber noch nicht erreicht.
SPD-Vizechef Ralf Stegner verurteilte die antisemitischen Parolen aufs Schärfste. "Wer so etwas unterstützt, ist nicht mehr bei Trost", sagte Stegner in Berlin. "Ich halte Antisemitismus in jeder Erscheinungsform für komplett unerträglich."