Hass-Austausch im Internet: Das Nazi-Hool-Netzwerk

Eigentliche Quelle: http://www.spiegel.de/fotostrecke/paolo-marchetti-fotografiert-italienische-rechtsradikale-fotostrecke-88025-7.html
Erstveröffentlicht: 
05.05.2014

Wochenlang hetzten Nazi-Hooligans in einem geheimen Internetforum, organisierten gewalttätige Übergriffe. Ihr Hauptfeind: Salafist Pierre Vogel. Politik ist plötzlich wichtiger als fußballerische Feindschaft.

 

Von Christoph Ruf

 

Eines möchte der Gladbacher Hooligan dann doch klarstellen: "Vor allem sollte JEDEM in der gruppe klar sein, das es nicht um pony reiten geht...die bereitschaft sehr weit gehen zu müssen sollte da sein. wer die nicht hat sollte uns verlassen." Angesprochen fühlte sich offenbar niemand in dem geheimen Internetforum mit dem Titel "Weil Deutsche sich's noch trauen". Darin hatten sich bundesweit rund 300 rechtsradikale Hooligans zusammengeschlossen, um gemeinsame Aktionen zu koordinieren.

 

Gemeinsame Aktionen verfeindeter Fußball-Hooligans? Schienen bislang ausgeschlossen, das ging gegen die Ehre. Man hatte zwar Kontakt im Internet, allerdings nur, um sich zu Prügeleien am Rande von Fußballspielen zu verabreden.

 

Darum ging es in dem mittlerweile dichtgemachten Forum nicht mehr. Die Auszüge der dortigen Unterhaltungen, die SPIEGEL ONLINE vorliegen, dokumentieren, dass aus der Feindschaft der Hooligans eine Freundschaft geworden ist: im Sinne der gemeinsamen Sache, im Sinne eines "politischen Kampfes". "Alle-die eine gesunde Einstellung gegen das Gesindel haben sind Willkommen Es geht hier nicht um Vereins-Farben!! Nur gemeinsam sind wir Stark!!!!", schreibt ein Bochumer Hooligan. Wie ein paar Dutzend anderer ist er euphorisch, dass es gelungen ist, so viele verfeindete Hooligan-Szenen zu einen.

 

Jahrelang habe man sich wechselseitig verprügelt, auch wenn man gewusst habe, dass der Gegner aus der anderen Stadt die gleiche politische Einstellung habe. Das findet auch ein Gesinnungsgenosse aus Hessen, der ebenfalls vor Tatendrang strotzt: "Anstelle uns immer gegenseitig auf die Nase zu hauen, was auch Spaß macht, müssen wir was Deutschland angeht Seit an Seit stehen!"

 

Feindbild Salafist bewusst gewählt

 

Hooligans aus so gut wie allen relevanten Fußballstädten - unter anderem Mönchengladbach, Frankfurt, Karlsruhe, Mannheim, Kaiserslautern, Nürnberg, Stuttgart, Dresden, Leipzig, Essen, Bremen, Dortmund, Kassel, Rostock, Osnabrück, Cottbus und Krefeld - verabredeten sich über das Forum, um ihren politischen Plan in die Realität umzusetzen.

 

Dieser besteht aus zwei Stufen: Zunächst, quasi als Aufwärmphase, sollen die Kundgebungen der Salafisten um den bekannten Konvertiten Pierre Vogel gestört werden. Wenn das gelingt und die Öffentlichkeit positiv reagiert, wollen sich die Fußball-Nazis vollends aus der Deckung wagen.

 

Dabei haben sie die Salafisten bewusst als Feindbild gewählt - wohlwissend, dass man kein Rechter sein muss, um Angst vor einem Vordringen der religiösen Fundamentalisten zu haben. Die Hooligans hoffen, dass sie mit spektakulären Aktionen gegen deren Versammlungen auch im demokratischen Spektrum auf Resonanz stoßen.

 

Über die konkreten Aktionsformen herrscht allerdings im Forum keine Einigkeit. Einer will "Schweineblut verspritzen", ein anderer fordert "Hals umdrehen und peng", erntet aber Widerspruch: "Das wäre schon zuviel Körperkontakt ... gleich "peng" reicht". Doch die Gewaltphantasien gelten längst nicht nur den Salafisten. "Kopfschuss und weg der Dreck", schreibt ein User über Femen-Aktivistinnen, andere formulieren Vergewaltigungsphantasien. Auch die Polizei ("Staatshuren") wird mit Hass überschüttet.

 

Bereits zweimal sind die rechten Hools tatsächlich offline aktiv geworden, nachdem sie sich zuvor übers Internet koordiniert hatten - beide Male blieb das Medienecho auf die unmittelbare Region beschränkt. Im Februar, berichtet die Mönchengladbacher Polizei, produzierte sich nach einer Kundgebung mit Pierre Vogel "eine Gruppierung von circa 150 Störern, die nach ersten Erkenntnissen mit einer Vielzahl von Hooligans durchsetzt war".

 

Sechs Wochen später trafen sich etwa 200 rechte Hools aus Mannheim, Kaiserslautern und Stuttgart, um eine Vogel-Versammlung in Mannheim zu stören. Fünf Polizeibeamte wurden dabei leicht verletzt. "Das war ein gut organisiertes Zusammentreffen von rechtsgerichteten Hooligans aus dem Südwesten, die sich mit ihren Brüdern im Geiste versammelt haben. Da war die Politik wohl wichtiger als die jahrzehntelange fußballerische Feindschaft zwischen Mannheim und Kaiserslautern", erinnert sich Polizei-Sprecher Norbert Schätzle.

 

"Die Omis müssen uns lieb haben"

 

Schätzle gehört nicht zu denen, die die Hooligan-Bewegung für tot erklärt haben - im Gegensatz zu vielen anderen Beobachtern der Fußballszene. Die Hoch-Zeit der Hooligans war in den Achtzigern und Neunzigern, als Prügeleien in den Stadien und davor zum Alltag im deutschen Fußball gehörten. Seit die Ultraszene die Fankurven und die Schlagzeilen dominiert, sind die Hools ein wenig in Vergessenheit geraten. Dabei gibt es in Deutschland nach wie vor weit über tausend Hools. Nicht alle von ihnen sind rechtsradikal oder gar Neonazis - aber ein beträchtlicher Teil eben schon.

 

Und sie sind dabei sehr vorsichtig. Denn immer, wenn in besagtem Forum allzu deutliche NS-Parolen oder verfassungsfeindliche Kennzeichen gepostet wurden, rief ein anderer die Heißsporne zur Ordnung. "Wenn wir uns unsere Straßen zurück holen wollen, dann sollte das nach dem Schema 'aus dem Volk und für das Volk' erfolgen. Die Omis müssen uns lieb haben." Zwar habe man sich hier unter Gleichgesinnten zusammengefunden, doch man schade dem gemeinsamen Ziel, wenn man allzu offen auftrete.

 

Immer wieder wird betont, man müsse sich als Sammlungsbewegung gegen die vermeintliche Islamisierung des Landes verstehen: "sehr positiv das sich hier leute aus den unterschiedlichsten schichten und bewegungen befinden.es geht um dinge die hoeher sind als eitelkeiten...wir fussball leute haben es geschafft,nach fast 30 jahren hooliganismus und teilweise erbitterter feindschaft.also egal ob german defence,hooligan,normalo,identitaer ,pro nrw oder npd....wir haben die gleichen ideale und ziele." Das findet auch ein hessischer Hooligan, der wie die meisten User sehnsüchtig nach Kiew blickt. "Heute in der Ukraine und morgen in ganz Europa! Right Sector."

 

Die Salafisten planen derzeit eine ausgiebige Kundgebungstour. Die Details kennt kaum einer besser als die deutsche Nazi-Hool-Szene. Die koordiniert ihre Aktionen mittlerweile über ein neues geheimes Internetforum.