Am gestrigen Sonntag versammelten sich zwischen 10.30 und 12.30 Uhr zwei dutzend Neonazis aus den Brandenburgischen Landkreisen Teltow-Fläming, Potsdam-Mittelmark, Potsdam, Havelland und Dahme-Spreewald mit Bannern und Fahnen in der Potsdamer Straße Ecke Straße der Jugend in Ludwigsfelde (Landkreis Teltow-Fläming).
Zu der Kundgebung unter dem Motto „NEIN zum Heim heißt JA zum Volk“ hatte die Jugendorganisation der NPD, die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), via Facebook aufgerufen.
Allerdings erschienen die Versammlungsteilnehmer_innen erst eine Stunde nach dem im sozialen Netzwerk publizierten Termin (9.30 Uhr).
Kundgebung mit Pierre Dornbrach und Maik Eminger
Nach der Einrichtung des Lautsprecherwagens, des Entrollens der Banner und des Hissens der mitgeführten Fahnen ergriff als erstes der Brandenburgische JN Vorsitzende Pierre Dornbrach das Wort und versuchte den an der Kundgebung vorbeilaufenden Passanten den Grund der Neonazipräsenz zu erklären. Hintergrund war selbstverständlich die geplante Reaktivierung des ehemaligen Asylheimes im Ludwigsfelder Birkengrund, im Zuge der steigenden Zahlen des Asylsuchenden in der Bundesrepublik.
Dornbrach hat in der Verteufelung von Flüchtlingen bzw. deren Aufnahme und Unterbringung in Brandenburg offenbar sein Thema gefunden. Mehrfach trat er bereits in Bad Belzig (Landkreis Potsdam-Mittelmark) und Bestensee (Landkreis Dahme-Spreewald) bei ähnlichen Veranstaltungen gegen Asylheime auf.
Im Gegensatz zu den betont bürgerlich getarnten „Nein zum Heim“-Seiten bei Facebook, welche Asylsuchende mittels reißerischer Horrormeldungen aus der Boulevardpresse de facto als Kriminelle verächtlich machen sollen, fährt die JN einen klar völkisch-rassistischen Kurs. Für dessen Erläuterung hatte die NPD Jugendorganisation eigens auch den angeblich „freien Kamerad“ Maik Eminger, ehemaliger (?) Vorsitzender des JN Stützpunktes Potsdam und Bruder des mutmaßlichen NSU Unterstützers André Eminger, eingeladen, der ähnlich wie bei einer NPD Kundgebung am 23. Februar 2014 in Bad Belzig, einen sehr lang gezogenen, ideologisch geprägten Redebeitrag über den Zusammenhang von Volk und Rasse hielt.
Keine Proteste
Trotz des sehr radikalen Bildes, welches durch die rassistischen Redebeiträge erzeugt wurde, gab es keinerlei Proteste gegen die von drei Revierpolizisten abgesicherte Veranstaltung. Einige wenige Passanten zerrissen zwar die vom NPD Landesvorstandsmitglied Dennis Härtel im Umfeld der Kundgebung verteilten Flugblätter gleich wieder, verbale oder plakative Unmutsbekundungen zur Versammlung blieben jedoch aus. Ludwigsfelde blieb im Wesentlichen stumm.
Lediglich in der heutigen Regionalausgabe der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) waren einzelne Meinungen von Menschen zu lesen, die gemeinsam mit mehreren hundert anderen Personen einen in der Nähe der JN Kundgebung veranstalteten Flomarkt frequentierten.
„Muss man das dulden? Wir brauchen kein 4. Reich“, „Und diese Lautstärke? Ich kann mich mit keinem Menschen mehr unterhalten“ oder „Wir sind hier auf dem Familientrödelmarkt und wollen nicht, dass unsere Kinder mit diesen Schmutzparolen zugedröhnt werden“, sollen die Flomarkt-Besucher der MAZ kundgetan haben (1.).
Aber was nützt ein Meckern danach? Der Verlauf der Veranstaltung war vorher absehbar.
Die einzige Erkenntnis aus diesem Tag ist einmal mehr, dass es keinen Sinn macht, dem Treiben von Neonazis einfach nur zu zusehen und neonazistische Aktivitäten zu ignorieren.
„Fläming & Front Belzig“ – Neue Neonazigruppe?
Ein Ignorieren solcher Veranstaltungen ist aber auch dahingehend verwerflich, wenn Neonazigruppen ihren Auftritt als Propagandapromotion nutzen können. So präsentierten mehrere Neonazis aus Bad Belzig (Landkreis Potsdam-Mittelmark), darunter die NPD Kommunalwahlkandidaten Pascal Stolle und André Schär, ein neues Banner mit der im „Blood & Honour“ Stil gefassten Aufschrift: „Fläming & Front“.
Hat sich das Belziger Neonazimilieu etwa im Zuge der „Nein zum Heim“-Kampagne etwa reorganisiert und unter neuem Namen zusammen gefunden?
Die Begriffe „Fläming“ und „Front“ sind jedenfalls nicht neu. Bereits 2007 fiel eine Gruppe Belziger Neonazis, darunter André Schär, während einer Neonaziveranstaltung in Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) mit T-Shirtvarianten einer „Kameradschaft Hoher Fläming Belzig“ bzw. „Division Belzig“ und „Flämingfront Belzig“ auf. Die Gruppierung galt jedoch Ende der 2000er Jahre, aufgrund der wenigen Teilnahmen an Neonaziaufmärschen, als (politisch) inaktiv. Ein eigenes Banner mit Labelbezeichnung wurde bis Sonntag auch noch nie mitgeführt.
Stattdessen galt das Belziger Neonazimilieu immer als NS-Rock affin und bediente nicht selten das Klischee des kahlköpfigen Boneheads mit Springerstiefel und Bomberjacke.
Die visuelle Ähnlichkeit von „Fläming & Front“ und „Blood & Honour“ dürfte damit nicht nur zufällig sein, sondern ist als weiterer Schritt in Richtung politischer Radikalisierung des Milieus zu verstehen.
Neonazis machten Stimmung gegen geplantes Asylheim / Kundgebung mit Pierre Dornbrach und Maik Eminger / „Fläming & Front Belzig“ präsentiert sich als neues Label / Keine Proteste
Fotos: http://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157642430506023/
Quellen:
(1.) http://www.maz-online.de/Lokales/Teltow-Flaeming/Stuermischer-Saisonbeginn
Fotos:
http://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157642430506023/